Roman von Alfred Goubran

Durch die Zeit in meinem Zimmer

"Ich kann in der Schule nichts mehr lernen." Das erkennt Elias relativ früh. Was kommt ist in Alfred Goubrans Roman "Durch die Zeit in meinem Zimmer" ein Leben ohne Verpflichtungen, ohne Regeln, ohne feste Bindungen. Das geht eine Zeitlang gut.

"Das Leben, das wir führen, ist gewählt. Keine Prägung ist zwingend. Wir können gehen oder bleiben." Solche Sätze tauchen in diesem "Roman einer Reise" immer wieder auf. Kein bequemer Text, ein Text, in dem Sätze stehen, die wir lieber nicht hören wollen, die uns irritieren, zum Nachdenken bringen, wenn wir es zulassen.

Wenn der 1964 geborene Schriftsteller zum Beispiel nicht über die Erbsünde, sondern über die Erbschuld schreibt und damit etwas ganz Bestimmtes meint: "Das Leben, das man sich schuldig geblieben ist, das ungelebte, das nicht gelebte Leben, das man sich aus diesen oder jenen Gründen aufgespart hat, in jedem Fall aber, um im Bequemen zu bleiben." Elias lebt bequem vor sich hin, mehr schlecht als recht. Ein Mensch am Rand der Gesellschaft.

Trügerische Sicherheit

Solche Figuren tauchen im Werk von Alfred Goubran immer wieder auf. Alfred Goubran weiß, dass die Sicherheit, in der wir uns wiegen, eine trügerische ist. Er bewertet Menschen wie Elias und ihre Art zu leben bewusst nicht.

Elias ist an den Rand gekommen. Er ist allein, schwer krank. Das Fieber lässt alle Grenzen verschwimmen. Was ist real, was nur geträumt, was ist jetzt, was hat er vor langer Zeit erlebt? Er liegt in seinem Zimmer und doch begibt er sich auf eine Reise. Er will über die Grenze, ans Meer.

Auf dem Weg dorthin gelangt er an einen magisch-mystischen Ort, das Schwarze Schloss. Eine Zwischenwelt tut sich auf, bevölkert von merkwürdigen Menschen. Eine Virenerkrankung führt bei ihnen zu einer äußerlichen Vergreisung der Haut, einer Verrindung. Auf dem Schloss selbst wohnt eine geheimnisvolle Frau, die sich entsprechend der Familientradition auf Hirnforschung spezialisiert hat. Sie macht dem Reisenden das Angebot, sich um die vernachlässigte Bibliothek zu kümmern. Es bleibt offen, wie diese Reise weitergehen wird, ob es überhaupt möglich ist, dieses Schloss wieder zu verlassen.

Eine eigene Welt

Vielleicht geht es Elias tatsächlich besser und er macht sich wirklich auf den Weg zum Bahnhof. Ein Kreis scheint sich zu schließen, auch die erste geträumte Reise von Elias hat ähnlich angefangen. Nur dieses Mal sagt der, der da spricht, "ich".

Magische Zwischenwelten wie diese sind in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur selten geworden. Alfred Goubran meint, dass auch die österreichischen Autorinnen und Autoren dafür jedes Gefühl verloren hätten.

Langweilig ist Alfred Goubrans Roman "Durch die Zeit in meinem Zimmer" ganz sicher nicht. Er erreicht sein Ziel, nämlich die Erschaffung einer ganz eigenen Welt durch das Erzählen. Es ist allerdings keine sichere, einfache und schon gar keine bequeme Welt, aber eine, auf die sich einzulassen es sich lohnt. Was ist wirklich? Was ist Traum? Ist das Leben nur geträumt? Wann muss man sich wirklich entscheiden? Raum und Zeit verlieren beim Lesen irgendwann die Bedeutung, die Handlungsebenen verschwimmen. Was bleibt: die Sprache, die Bilder, ein Buch das einen eigenartigen Sog entwickelt und sein Geheimnis doch nie völlig preisgibt.

Eine Geschichte erzählt sich

Alfred Goubran hat mit 17 Jahren angefangen zu schreiben, mit 20 ist sein erstes Buch erschienen. Seit einigen Jahren veröffentlicht der frühere Verleger der edition selene wieder selbst Bücher. Eines war allerdings klar: Er hat immer geschrieben und er wird immer schreiben.

Erzählen ist für Alfred Goubran kein bewusster Vorgang. Eine Geschichte erzählt sich. Und das lässt sich nicht erzwingen oder planen. Und wenn es so sein soll, dann dauert es wie bei "Durch die Zeit in meinem Zimmer" mehr als 30 Jahre, bis ein Text erscheint. Das erste Romankonzept hat ein 18-Jähriger geschrieben, der wissen wollte, ob er so eine Geschichte überhaupt durchdenken kann. Vor diesem Roman wollte ein Buch wie "Der gelernte Österreicher" geschrieben werden. Die Frage was es eigentlich bedeutet zu sagen "Ich bin Österreicher" ist nur der Ausgangspunkt einer drastischen Überprüfung all jener Konzepte und Glaubenssätze, mit denen Alfred Goubran aufgewachsen ist.

Zehn bis 15 Jahre hat es auch gebraucht, bis Alfred Goubran an dem Punkt angelangt war, Lieder zu schreiben. Sein Selbstverständnis als Dichter leitet sich von dem eines Sängers ab. Alfred Goubrans erstes Album "Glut" erscheint im April.

Service

Alfred Goubran, "Durch die Zeit in meinem Zimmer", Braumüller Verlag