Privates Facharztzentrum in Wien

Österreichische Spitalsambulanzen sind oft überfüllt, Hausärzte haben kaum Zeit für ihre Patienten - das sind zwei Hauptkritikpunkte am heimischen Gesundheitssystem. Vereinzelt entstehen allerdings zukunftsweisende Konzepte, wie jenes eines neuen Facharztzentrums in Wien. Private, ambulante Behandlung soll damit "für alle leistbar" sein, wie die Initiatoren versprechen.

Mittagsjournal, 3.3.2014

Machtkämpfe verhindern Umdenken

Vieles spricht für ein Umdenken in der Medizin, sagen Kritiker unseres historisch gewachsenen Gesundheitssystems. Wird ein Mensch krank, müsse man ihn als Ganzes sehen und nicht nur die Krankheit therapieren – auch die seelische Verfassung, wie das soziale Umfeld sollten berücksichtigt werden. Die Praxis sieht in Österreich allerdings meist anders aus, sagt Ernest Pichlbauer, Mediziner und Gesundheitsökonom: "Das österreichische Gesundheitssystem legt den Fokus auf die Kuration, also die Diagnose und Therapie, und vernachlässigt Prävention und Rehabilitation."

Dieses System, das seit den 1940er Jahren gewachsen ist, scheint nicht aufzubrechen zu sein. Die Sozialversicherungen und die Länder haben mächtige Strukturen aufgebaut, die sie nicht bereit sind aufzugeben – trotz wissenschaftlicher Evidenz, dass ein umfassende Medizin Sinn hat, so Pichlbauer.

Mehr Zeit für Patienten

In Wien gibt es nun ein Projekt namens "Mediclass", das laut Geschäftsführer Christoph Sauermann aufzeigen will, dass eine moderne, fächerübergreifende, präventive Medizin in Österreich möglich ist - und zwar ohne hohe Kosten für den Patienten.

Kernpunkt der Idee sei mehr Zeit für den Patienten, erklärt Sauermann: "Der Arzt bekommt von uns die gesamte Ordination zur Verfügung gestellt; wir übernehmen alle administrativen und organisatorischen Tätigkeiten, der Arzt hat dadurch wieder mehr Zeit für seine Patienten."

Mehr Effizienz in der Therapie

Das Prinzip hinter Mediclass: Die Patienten werden Mitglied bei dem Dienst und bezahlen eine monatliche Gebühr von rund 30 Euro. Dafür erhalten sie einen umfassenden Gesundheitscheck und können Fachärzte konsultieren. Diese verrechnen vergünstige Wahlarzthonorare, die von den Krankenkassen bis zu 100 Prozent refundiert werden. Damit ergibt sich im besten Fall ein Nullsummenspiel.

Auch aus medizinischer Sicht sieht Mediclass-Geschäftsführer Sauermann Vorteile in diesem System: "Die Ärzte machen nicht nur Krankenbehandlung, sondern betreuen den Patienten auch präventiv, klären ihn auf und besprechen mit ihm gemeinsam Diagnose und mögliche Therapien." Damit könne man einen wesentlich höheren Effizienzgrad der Therapie erreicht werden, so Sauermann.

Gesundheitsexperte begrüßt Idee

Ob Mediclass nun tatsächlich zum Vorzeigeprojekt wird, wird sich weisen. Die Idee, sagt Gesundheits-Experte Ernest Pichlbauer, sei prinzipiell eine gute. Er würde sich wünschen, dass auch das öffentliche System sich einmal in diese Richtung entwickelt.

Weitere Mediclass-Zentren sind übrigens laut Geschäftsführung in Linz und Graz geplant.