Brasilien: Was bringt die WM der Bevölkerung?

Am 12. Juni wird in Sao Paulo die Fußball-WM 2014 angepfiffen. Das WM-Finale findet dann in Rio de Janeiro statt. Rio ist 2016 auch Austragungsort der Olympischen Sommerspiele. Brasilien hat sowohl FIFA als auch Olympisches Komitee mitunter zur Verzweiflung gebracht: Bauvorhaben gerieten immer wieder in Verzug. Die brasilianische Zivilgesellschaft wiederum kritisiert die Verschwendung von Steuergeldern rund um die Bauten.

Mittagsjournal, 22.4.2014

Wie rentabel sind eigentlich solche Sport-Großereignisse für die Austragungsorte? Darüber hat Ulla Ebner in Rio de Janeiro mit einem Experten für Stadtentwicklung gesprochen.

Geld fließt aus öffentlicher Hand in Privatwirtschaft

Bei sportlichen Großereignissen, wie Fußballweltmeisterschaften und Olympischen Spiele gehe es nur in zweiter Linie um Sport, sagte der Geograph Christopher Gaffney im Ö1-Mittagsjournal. In erster Linie gehe es um Geld. Das werde dabei in großem Stil umverteilt - von der öffentlichen Hand hin zu privaten Konzernen. Der gebürtige US-Amerikaner Gaffney ist Experte für Stadtentwicklung und unterrichtet an der öffentlichen Universität in Rio de Janeiro. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich in seiner Forschungstätigkeit mit der Frage, wie sich Städte durch sportliche Mega-Events verändern.

"Theoretisch könnte im Vorfeld einer Fußball WM die Infrastruktur einer Stadt verbessert werden, sodass die Bevölkerung langfristig etwas davon hat", betonte Gaffney. In Brasilien sei das gründlich schief gegangen. Die Ausbaukonzepte für den Verkehr seien nicht durchdacht und die Städte hätten viel zu spät damit begonnen.

Austragungsorte hoch verschuldet

Zum Beispiel Cuiaba, Hauptstadt von Mato Grosso: Dort starteten an ein- und demselben Tag fünf Großbaustellen, darunter mehrere Stadtautobahnen und eine Schnellbahn. Der Verkehr sei zusammengebrochen. Bis zur WM werde nichts davon fertig. Ob danach weitergebaut wird, sei fraglich, so Gaffney.

Cuiaba, Manaus und Brasilia haben jetzt Weltklassestadien. Allerdings keine lokalen Fußball-Mannschaften, die diese auch füllen könnten. Nach der WM werden die Stadien an private Firmen übergeben, erklärte Gaffney. Die können dort Konzerte veranstalten, Shopping Malls oder Kinos errichten - sprich: Geld verdienen. Die Städte wiederum blieben mit hohen Schulden zurück.

Bevölkerung profitiert am wenigsten

Die brasilianische Regierung hat für die WM-Austragungsorte bereits Ausnahmeregeln vom Gesetz zur Budgetdisziplin geschaffen. All das mache für die Lokalregierungen wenig Sinn aus wirtschaftlicher Sicht, sehr wohl aber aus politischer, betonte Gaffney. Schließlich würden die großen Baufirmen wie Odebrecht auch die Wahlkampagnen verschiedener Parteien finanzieren.

Die lokale Bevölkerung profitiere am wenigsten von sportlichen Großereignissen, denn diese treiben die Preise in die Höhe. Vor allem Wohnen und Essen werden immer teurer. Auch kleine lokale Wirtschaftstreibende hätten nur begrenzt Umsatzsteigerungen durch die Events. Ambulante Bierverkäufer beispielsweise würden von den Fanmeilen verbannt. Dort dürfe nur das Bier der offiziellen Sponsoren ausgeschenkt werden, so Gaffney. Sein Fazit: Er würde keiner Stadt der Welt empfehlen, ein sportliches Großereignis auszutragen.