Die Geschichte des Copyrights im Medienwandel
Autoren und Apparate
Darüber hat Monika Dommann, seit 2013 Professorin für Geschichte der Neuzeit am Historischen Seminar der Universität Zürich, ein Buch geschrieben. Für die Autorin waren Technologien und Techniken wie Google Books und Streaming Anlass die Geschichte des Urheberrechts nachzuzeichnen.
8. April 2017, 21:58
Das geistige Eigentum gibt es nicht. Oder: Wer raubkopiert, könnte genauso gut einer alten Frau die Handtasche stehlen. Zwei extreme Pole eines extrem spannenden Feldes der Kulturgeschichte: Von der Schwierigkeit, geistige Arbeit rechtlich zu sichern. Monika Dommann sieht die Geschichte des Urheberrechts als Mediengeschichte.
Ursprung des Copyrights
In der Wahl des Begriffs Copyright im Untertitel des Buches Autoren und Apparate - Die Geschichte des Copyrights im Medienwandel wird die Herkunft dieses Rechts klar.
Das Urheberrecht wurde als nationalstaatliches Recht im 18. Jahrhundert zuerst in Großbritannien, dann in Frankreich und schließlich in Preußen eingeführt. Die erste nationale Verwertungsgesellschaft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich begründet.
Das Urheberrecht über-dauert und über-steht politische Systeme, selbst Kriegs- und politischen Krisenzeiten mit geringen Veränderungen. Das internationale Interesse an der Wertschöpfung von Lizenzen und Tantiemen ist ein stabilisierender Faktor. Nichtsdestotrotz haben die Nationalstaaten und ihre jeweiligen Regierungen oder Regime Interesse, darauf Einfluss zu nehmen.
Radio als "Mörder" der Musik
Ein Beispiel des Kampfes der Verwertungsgesellschaften gegen ein neues Medium ist der Radiokrieg in den USA der 1930er und 40er Jahre. Radio – the Murder of Music, Radio – Mord an der Musik. Unter dieser Überschrift zeigte eine Broschüre aus dem Jahr 1933 ein weißes Empfangsgerät, aus dessen Notenzeilen eine Blutspur in eine Blutlache rinnt: darin geschrieben "charted", die Blutlache steht für die Hitparade – die nach der Meinung der Verwertungsgesellschaften die Verkaufszahlen und damit die Einnahmen zu nichte mache.
Das Radio als Tatwaffe, die Musik als Opfer. Die Broschüre verdeutlichte den Versuch der als Monopol agierenden US-Verwertungsgesellschaft Ascap – autoren, componierende und verleger, Einfluss auf das Repertoire des Radios zu nehmen und zu verhindern, dass manche stücke zu viel gespielt würden.
Mit Bildgraphiken von rapide sinkenden Verkaufszahlen von Tonträgern wurde das Radio zur singulären Ursache der sozialen und ökonomischen Krise der Musikschaffenden stilisiert. Jedoch: die mächtigen Musikverleger wie die Warner Brothers stellten sich gegen den Monopolisten der Verwertungsgesellschaft Ascap.
Die Radiosender kippten einfach die Musikstücke der ASCAP-Mitglieder aus dem Programm. George Gershwin, John Philip Sousa, Irving Berlin und Victor Herbert verschwanden aus den Spiellisten, stattdessen kam ehemals verfemte Musik wie Hillybilly, Ragtime, Latin, Rhythm and Blues zum Zug. Die Südstaaten-Musik, gerade noch als race music verpönt, wurde über Nacht populär, die Verwertungsgesellschaft gab nach.
Einerseits war sie mit zwei Drittel ihrer Tantiemeneinnahmen aus der Radioverbreitung bereits abhängig von den Einnahmen aus dem Medium Radio geworden, andererseits konnte die empirische Sozialforschung des Paul Lazarsfeld nachweisen, dass Hits nur entstehen, wenn sie häufig im Radio gespielt werden – und also den Verkaufszahlen und den Tantiemeneinnahmen nicht schaden.
Neue gegen bestehende Medien
Das Phänomen des Kulturkampfes eines neuen Mediums gegen die bestehenden Medien zieht sich durch die Geschichte des Urheberrechts, das sich eben in der Geschichte der Medien zeigt. Das neue Medium, schreibt Monika Dommann schlüssig in ihrem neuen Buch "Autoren und Apaarate", wird erst einmal ignoriert, dann abgewertet und dämonisiert, bis es in seinen Wertschöpfungsmöglichkeiten erkannt und in das Urheberrecht einbezogen wird. Dieses beweist Flexibilität in der Einbeziehung neuer Werke und in der Adaption des Werkbegriffs.
Monika Dommanns Geschichte des Copyrights ist nicht nur, aber auch eine Geschichte des Radios, es ist eine Geschichte des Musikverlags, die Autorin referiert - illustriert auch mit historischen Fotografien - die Bürokratie der Musikverwertung. Die vor uns auf über 400 Seiten ausgebreitete Geschichte des Copyrights zeigt uns in Berg- und Talfahrten das Verschwinden und Wiederaufkommen der Medien, in immer neuen Erscheinungsformen und Mehrwerten.
Dommann zeichnet nach, dass der heutige Begriff des Urhebers aus dem Geniekult des 18. Jahrhunderts stammt. Im Gegensatz dazu macht jede technische Entwicklung deutlich, dass Werke und Ideen durch Austausch und Überlieferung entstehen.
Für die Frage des Anfangs, ob es also geistiges Eigentum gibt, ob Neues nur entsteht, wenn es geschützt ist, gibt sie eine differenzierte Antwort: was bei der Produktion eines Filmes aus Kostengründen notwendig ist, ein Kopierschutz über eine bestimmte Zeitspanne, könnte bei einem wissenschaftlichen Artikel kontraproduktiv sein, Innovation entstehe eben nicht durch Schutz, sondern durch Austausch, Imitation und – wie es Ludwik Fleck nennt - Denkverkehr.