Oksana Sabuschko - Stimme des Maidan

Die ukrainische Schriftstellerin Oksana Sabuschko ist eine der wichtigsten und engagiertesten literarischen Stimmen ihres Landes. Während der Demonstrationen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan) hielt sie Vorträge und Lesungen, und zur Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin fand sie klare Worte. Derzeit ist Sabuschko "Writer in exile" in Graz.

Morgenjournal, 27.5.2014

"Der Krieg ist nicht vorbei"

Mit über 53 Prozent der Stimmen hat der Süßwarenfabrikant Petro Poroschenko am Sonntag einen überlegenen Wahlsieg eingefahren. In den westlichen Medien wird er ironisch als „Schokomilliardär“ apostrophiert, was ein zu einseitiges Bild des neuen Präsidenten zeichnet, so Oksana Sabuschko: "Petro Poroschenko wird in der Ukraine ganz anders wahrgenommen als in der EU, nämlich nicht als umtriebiger Geschäftsmann, sondern in erster Linie als jemand, der auf dem Maidan war. Und sein hoher Wahlerfolg erklärt sich aus dem Verhalten, das er dort an den Tag gelegt hat. Er schielte damals nämlich nicht auf seine Quoten, sondern war darum bemüht, die Gewalt zu beenden und das war wirklich augenscheinlich."

Der 49jährige Poroschenko war vorher bereits als Außenminister und Wirtschaftsminister tätig gewesen, verfügt also über einiges politisches Durchsetzungsvermögen. Am wichtigsten sei aber, so Sabuschko, dass die Wahlen überhaupt stattgefunden haben und dass sie in einem Wahlgang entschieden wurden, womit die politischen Kompetenzen wieder klar verteilt sind. Poroschenko hatte gleich gestern, einen „Anti-Terror-Einsatz“ gegen die prorussischen Flughafenbesetzer in Donezk angeordnet. In Richtung Kreml schickte er gleichzeitig den Wunsch nach einem Treffen und auch Moskau hat Dialogbereitschaft signalisiert. Oksana Sabuschko warnt aber vor übertriebenen Hoffnungen: "Alle Behauptungen Putins, die Truppen zurückzuziehen, haben sich als Lügen herausgestellt. Und in der Nacht vor der Wahl, gab es Meldungen über russische Truppenbefehlshaber, die sich in Lugansk befinden sollen. Die Grenze ist nicht existent und damit ist die Situation nicht mehr unter Kontrolle."

Gefährlich sei aber nicht nur die tatsächliche russische Präsenz in der Ukraine, sondern auch die umtriebige Propagandaindustrie des Kreml im Land.Oksana Sabuschko: "Die erste Reaktion Russlands auf die Wahl war charakteristisch und Ursache für viele Witze in der Ukraine. Das russische Staatsfernsehen, in der Ukraine auch Goebbels-TV genannt, hat nämlich bekannt gegeben, dass Jarosch, der Führer der nationalistischen Partei „Rechter Sektor“ mit 37% der Stimmen Wahlsieger geworden ist. Später hat der Sender sich zwar entschuldigt und die Meldung revidiert, dieses Verhalten war aber typisch, weil hier eine völlig fiktive Parallelwirklichkeit entworfen wurde."

Das Vertrauen in die EU hat in der Ukraine bereits beträchtliche Kratzer abbekommen und der Wahlausgang am Sonntag hat das Verhältnis nicht besser gemacht. Ganz im Gegenteil, so Oksana Sabuschko: "Die Wahlen in der Ukraine stimmen mich weit optimistischer als die EU-Wahlen. Viele der Rechtsparteien, die jetzt ins EU-Parlament einziehen, sind nämlich für ihre prorussische Haltung bekannt, was Putin zusätzliche Möglichkeiten gibt, die europäische Politik zu beeinflussen."

"Wir haben eine Schlacht gewonnen, der Krieg ist aber nicht vorbei", seufzt Oksana Sabuschko deshalb auch am Ende des Gesprächs.