Zieht der Friedensnobelpreisträger in den Krieg?

Lässt sich jetzt ausgerechnet Barack Obama, der angetreten ist, um den Einsatz im Irak zu beenden, der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist, jetzt auf einen neuen Krieg im Irak ein? Antworten von Heinz Gärnter, dem wissenschaftlichen Leiter des österreichischen Instituts für Internationale Politik und profunder USA-Kenner.

Mittagsjournal, 20.6.2014

Heinz Gärnter, der wissenschaftliche Leiter des österreichischen Instituts für Internationale Politik, im Gespräch mit Andrea Maiwald.

Heinz Gärtner

Heinz Gärtner zu Gast im Studio

(c) ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Keine amerikanischen Bodentruppen im Irak

Obama habe nie behauptet, dass er gegen Krieg im Allgemeinen sei, den Irak-Krieg habe er aber von Anfang an kritisiert. "Er ist damit in den Wahlkampf gegangen, beide Kriege, in Afghanistan und im Irak, zu beenden", sagt Heinz Gärtner. Daher will Obama auf keinen Fall, dass amerikanische Bodentruppen im Irak involviert sind, so Gärtner. "Da hat er eine rote Linie gezogen: Militärberater ja, Luftschläge eventuell, aber keine Bodentruppen."

Allerdings bestehe die Gefahr eines sogenannten mission creeps, das bedeutet, dass sich die Kampfhandlungen soweit ausweiten und eskalieren, dass die USA einer bewaffneten Auseinandersetzung nicht entgehen kann.

Zielerfassung der militärischen Führung nötig

Das Argument der Amerikaner lautet, dass die Entstehung von Terrorgefahr im neuen Gebiet der ISIS eingedämmt werden müsste. Dabei wird Obama auch von den Republikanern unterstützt. Diese fordern ebenfalls militärisches Engagement im Irak. Heinz Gärtner bezweifelt allerdings, dass die ISIS Truppen durch die derzeitige amerikanische Hilfe beschränkt werden könnten.

Ein Militäreinsatz im Irak ist ohne UNO-Mandat möglich, ist der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon überzeugt. Doch nur Lastwagen und Militäranlagen zu bombardieren, wird, laut Gärtner, zu wenig sein. Man müsse die militärische Führung ausschalten. "Deshalb gibt es jetzt auch die Aufklärungen, unter anderem mit 300 Militärberatern am Boden. Denn ohne Zielerfassung der hohen Militärs und der Führung wird sich auch am Boden nicht viel ändern", sagt Heinz Gärtner. Eine genaue Zielerfassung durchzuführen sei jedoch sehr schwierig, da sich das Schlachtfeld stündlich ändere.

Politische Annäherung USA und Iran

Die möglichen Luftschläge des Westens sieht der Leiter des österreichischen Instituts für Internationale Politik zweischneidig: Einerseits wolle man damit den Terrorismus eindämmen, andererseits könne dadurch in der sunnitischen Welt wieder eine antiamerikanische Welle entstehen, die auch Terrorismus hervorbringen kann.

Der Vormarsch der ISIS-Truppen bringt die bisherigen Erzrivalen USA und Iran zusammen, sogar ein Atomabkommen scheint in Reichweite. Die USA sagen zwar offiziell, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Ereignissen im Irak und dem Atomabkommen gebe. Doch auch die Opposition in den USA gibt zu, dass ohne die Hilfe des Iran die ISIS-Kämpfer nicht eingedämmt werden können, so Gärtner. "Die USA brauchen die Hilfe des Iran. Das Atomabkommen kann eine politische Annäherung zwischen der USA und dem Iran bringen."

Das unmittelbare Problem sei für die Amerikaner nun der Vormarsch der ISIS-Truppen. Obwohl die Obama-Administration Syriens Bashar al-Assad beseitigen wollte, wird sie das Syrien-Problem aufschieben müssen, sagt Gärtner. "Die USA wird Assad für die nächste Zeit akzeptieren müssen, da es auch keine wirkliche demokratische Alternative gibt."