Häme und Schmach für Cameron

26:2 beim EU-Gipfel für Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident. Der britische Premier David Cameron hat gemeinsam mit Ungarn "diese Schlacht verloren". Den Krieg könnten er und sein Land aber noch gewinnen, meinte Cameron danach. Bestätigt wähnen sich jetzt jedenfalls die Befürworter eines EU-Austritts in Großbritannien.

Mittagsjournal, 28.6.2014

"Total erniedrigt"

Die Niederlage von David Cameron gestern in Brüssel ist nur ein Vorgeschmack darauf, was uns Briten noch alles blüht, wenn wir in der EU bleiben. Das ist zusammengefasst die Stimmung, die die EU-Gegner in Großbritannien jetzt verbreiten. Angeführt vom wortgewandten Nigel Farage, den Chef der UK Independent Party (UKIP): "Wir haben einen Premierminister erlebt, der gesagt hat, er wird in Brüssel kämpfen. So wie damals Maggie Thatcher. Und was ist geschehen: Er ist zurückgekommen wie das englische Fußballteam - total erniedrigt."

Doch auch die eigenen Leute machen Cameron das Leben nicht gerade leichter. Bernard Jenkins ist Parlamentsabgeordneter der Konservativen. Er sagt, jetzt habe man es genau gesehen. Die Briten könnten die EU nicht in ihrem Sinne beeinflussen: "Das ist jetzt ein sehr wichtiger Moment. Wir müssen endlich der Wahrheit ins Gesicht blicken: Es wird keine grundlegende Änderung der EU-Verträge geben."

Cameron ist jetzt der Mann, der in Brüssel erniedrigt worden ist. Oder vielleicht auch zu hoch gepokert hat, wie ein Passant in London meint: "Das Problem ist, dass Cameron versucht, die Euro-Skeptiker in der eigenen Partei und auch der UKIP zu beschwichtigen. Und so hat er aus sich einen Narren gemacht. Zu Hause und im Ausland."

"Krachende Niederlage"

Boulevardblätter wie die "Sun", die sonst keine Gelegenheit auslassen, mit besonders scharfen Geschützen in Richtung EU zu schießen, haben heute anderer Sorgen: Cricket und Fußball dominieren hier. Brüssel und die EU sind bestenfalls Randthemen. - "Einen Schritt weiter Richtung EU-Austritt." Das ist der Titel des "Independent". Die linksliberale Tageszeitung schreibt, dass keiner der Staatschefs von Juncker überzeugt gewesen ist. Die meisten sind der Sache aber mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber gestanden. Cameron habe es geschafft, diese Gleichgültigkeit in eine fast einhellige Unterstützung für Juncker zu verwandeln. Wenn es hinter diesem Reinfall eine Strategie gegeben habe, dann sei sie nicht zu erkennen gewesen, so der "Independent".

"Eine krachende Niederlage" für unseren Premier, schreibt der "Guardian". "Ein isolierter David Cameron bringt Großbritannien näher an den EU Austritt", so die liberale Tageszeitung. In einem Kommentar schreibt die Zeitung, dass Juncker ein Kommissionspräsident sei, den niemand braucht. Die EU-Staatschefs hätten sich da in eine Situation manövriert, aus der sie jetzt selber nicht mehr rauskommen würden. Denn Juncker sei der falsche Mann am falschen Ort zur falschen Zeit.

Und der "Telegraph" schreibt in einer Analyse: "Juncker ist ein überzeugter EU-Machtmensch, der nicht im Traum daran denkt, das zu machen, was nicht nur eine Mehrheit der Briten will - sondern auch eine Mehrheit in Europa. Nämlich wieder Entscheidungen und Macht in die Nationalstaaten zurück zu transferieren."