Caritas sammelt für Senegal

Viele arme Bauernfamilien im Senegal wissen nicht, wie sie ihre Kinder ernähren sollen und schicken die Buben in die kostenlosen Koranschulen. Doch statt Bildung und der Chance auf eine bessere Zukunft erleben die Kinder in den Koranschulen oft Hunger und Gewalt. Im Senegal hat die dortige Caritas ein muslimisch-christliches Projekt aufgebaut, in dem diese Kinder Unterstützung bekommen.

  • Jugendliche in Senegal

    (c) Alexandra Mantler, ORF

  • Jugendliche in Senegal

    (c) Alexandra Mantler, ORf

  • Jugendliche in senegal spielen Tischfußball

    (c) Alexandra Mantler, ORF

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Mittagsjournal, 7.7.2014

Kostenlose Koran-Schulen

Gleich neben der Eingangstür steht ein Tischfußball-Tisch im Innenhof. Eine Gruppe Burschen ist gerade ins Spiel vertieft, ein 6-Jähriger saust in den Waschraum. Das "Maison d'ecoute", also "Haus des Zuhörens", in St. Louis ist die Anlaufstelle, die einzige in der Stadt, für die Straßenkinder und Koranschüler, Talibés genannt. Wegen Hunger, Dürre und Armut können viele Familien nicht alle ihre Kinder ernähren und schicken einige der Buben auf diese kostenlosen Internate statt auf öffentliche Schulen. Sie wollen eine religiöse Erziehung für ihre Söhne und gleichzeitig das Geld für Schulbücher, Stifte und Essen sparen. Rund 6.000 solche Koranschüler gebe es in St. Louis, schätzt der Projektmitarbeiter des Hauses: "Einige der Koranlehrer, nicht alle, aber viele, bringen die Kinder unter erbarmungswürdigen Umständen unter. Ihr Essen müssen sich die Kinder selbst erbetteln, meist sind das Abfälle, die dann im Laufe des Tages in den Blechbüchsen verderben". Die Kinder würden krank werden, auch weil sie sich im dreckigen Fluß waschen müssen. "Wenn sie nicht genug Geld erbetteln, werden sie häufig von den Koranlehrern, den Marabouts, geschlagen", sagt Papé Demba Fall. Es gebe in den Koranschulen strikte Hierarchien zwischen den älteren und den jüngeren Schülern. Es kommt auch sehr oft zu sexuellem Missbrauch, sagt er.

Erbärmliche Lebensumstände

Ab einem Alter von vier Jahren kommen die kleinen Buben in die Koranschulen und sehen ihre Eltern oft jahrelang nicht mehr. Der Talibé Cherif Cissé ist mittlerweile 20 Jahre alt: "Um sieben Uhr stehe ich auf, erbettle mir dann das Frühstück. Bis 13 Uhr habe ich Koranunterricht und dann gehe ich wieder betteln. Am Nachmittag weiter Koranunterricht und am Abend lerne ich noch, bevor ich mir das Abendessen erbettle. Wir müssen eigentlich immer arbeiten, aber zumindest schlägt uns unser Marabou nicht."

Die Eltern wüssten durchaus Bescheid, um die erbärmlichen Lebensumstände der Koranschüler, meint Projektmitarbeiter Papé Demba Fall, aber: "Die Väter entscheiden, dass die Buben in die Koranschule kommen. Die Mütter sind immer dagegen, aber die haben hier nichts zu sagen. Die Familien können einfach nicht alle Kinder ernähren. Sie versuchen das ganze vor sich selbst zu rechtfertigen, indem sie sagen: So schlimm ist es nicht und um den Koran zu lernen, muss man eben leiden".

"Maison d'ecoute": Anlaufstelle für Kinder

Einziger Ankerpunkt für die Buben ist das "Maison d'ecoute". In dem Projekt der senegalesischen Caritas arbeiten muslimische und christliche Mitarbeiter zusammen. "Ich war selber Talibé und kenne das Leid dieser Kinder aus eigener Erfahrung", sagt Projektkoordinator Babacar Diog. Die Marabous hätten auch meist nichts dagegen, dass die Kinder ab und zu hier im "Maison d'ecoute" vorbeikommen, um sich selbst und ihre Wäsche zu waschen, wenn sie krank sind oder einfach einmal mit jemandem über ihre Probleme sprechen möchten.
"Das ist ein Spiegelbild der Armut im Land", sagt Christoph Schweifer, Auslandshilfechef der österreichischen Caritas. "Das ist keine Religionsfrage, sondern eine Armutsfrage, um die es hier geht. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Möglichkeiten Menschen in Armut zu unterstützen. Wenn wir als Caritas hier einen positiven Beitrag leisten können, dann finde ich das wichtig und gut – im Interesse der Kinder, um die es geht."

Im westafrikanischen Senegal droht eine neue Hungerkatastrophe. Bereits jetzt sind fast 22 Prozent der Bevölkerung unterernährt. Im Rahmen ihrer Kampagne "Für eine Zukunft ohne Hunger" bittet die Caritas in diesem Sommer auch um Spenden für Hilfsprojekte in Westafrika.

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