Trauer und Wut in Brasilien

Nach dem Aus der brasilianischen Mannschaft bei der Fußball-WM ist es in Sao Paulo zu Ausschreitungen gekommen. Nach Polizeiangaben wurden mehrere Busse angezündet sowie ein Geschäft mit Elektroartikeln geplündert. Die beherrschende Stimmung ist aber Trauer und Resignation in Brasilien. Ein Trost: Gegen Argentinien zu verlieren, wäre noch schlimmer gewesen.

Morgenjournal, 9.7.2014

Aus Brasilien berichtet

Das Vergessen hat begonnen

Bereits zu Mittag bedecken schwarze Regenwolken den Himmel in Rio de Janeiro. Viel freundlicher sollte der Tag in Rio auch nicht enden. Vor dem Spiel geben sich die brasilianischen Fans im Circo Voador, einem Veranstaltungszelt im Ausgehviertel Lapa, noch siegessicher. Der Plan für danach steht fest, erklären die Fans: Falls Brasilien gewinnt, wird gefeiert, getanzt und getrunken. Falls Brasilien verliert: auch. Um zu Vergessen. Ab der 20. Minute ist es dann soweit. Deutschland schießt das dritte Tor. Immer mehr Fans verlassen den Platz vor der Leinwand und stellen sich in die Bierschlange. Das kollektive Vergessen beginnt. Beim 5:0 starten im Stadion in Belo Horizonte Sprechchöre gegen die brasilianische Präsidentin Dilma. Die Fans im Circo Voador in Rio wiederum verharren in ungläubiger Schockstarre. Nach dem Match Fassungslosigkeit: Welche Weltklassemannschaft kassiert schon sieben Tore? Aber es hätte noch schlimmer kommen können, meint ein Fan: Gegen Deutschland zu verlieren sei immer noch besser, als gegen den Fußball-Erzfeind Argentinien.

Für viele Brasilianer beginnt jetzt das Dilemma. Auf der einen Seite wollen sie, dass der Pokal in Südamerika bleibt. Auf der anderen Seite sollte er bloß nicht nach Argentinien gehen. Sie halte ab jetzt die Daumen für Deutschland, erklärt eine junge Frau. Vor Beginn der WM habe sie gegen die Weltmeisterschaft demonstriert, erzählt sie, wegen der absurd hohen Kosten. Danach habe sie der Selecao die Daumen gehalten. Sollte es in den nächsten Tagen und Wochen erneut Demonstrationen gebe, werde sie auch wieder auf die Straße gehen, betont die junge Frau.

Ausschreitungen und Tränengas

Im Ausgehviertel Lapa wird diese Nacht noch viel Alkohol des Vergessens fließen. Die Menschen tanzen hier trotz allem oder gerade deshalb. Aber es geht nicht überall so friedlich zu: Nahe des FIFA FanFests an der Copacabana in Rio de Janeiro kam es bereits nach dem dritten Tor der Deutschen zu Tumulten. Mehrere Raubüberfälle wurden verübt, mindestens sieben Personen verhaftet. In Sao Paulo brennen 20 Autobusse und auch im Austragungsort Belo Horizonte kommt es zu Ausschreitungen brasilianischer Fans. Sie verbrennen die brasilianische Flagge, die Polizei versprüht Tränengas und nimmt 17 Menschen fest.