17 Beispiele einer besseren Welt

Völlig utopisch

"Die Welt wird nie gut, aber sie könnte besser werden", stellte der Schriftsteller Carl Zuckmayer im 20. Jahrhundert fest. Dieser Idee scheinen heute immer Menschen zu folgen. Dieser Überzeugung ist zumindest der deutsche Journalist Marc Engelhardt.

Nach Idealen streben

Alternative Modelle zur gegenwärtigen Politik, Wirtschaft oder gesellschaftlichen Konventionen gab es zu jeder Zeit. Der deutsche Schriftsteller Ilija Trojanow gräbt im Vorwort zu "Völlig utopisch" erst einmal im reichen historischen Schatz der utopisch-anarchistischen Konzepte. Die Pariser Kommune, die Spanische Revolution in den 1930er Jahren oder die Lebensgeschichte des ungehorsamen Zivilisten Henry David Thoreau, der sich in eine selbstgebaute Blockhütte jenseits der amerikanischen Großstädte zurückzog, um gegen Sklaverei und staatliches Unrecht zu demonstrieren. Alle diese Beispiele zeigen, dass Menschen durchaus nach Idealen streben und existierende Autoritäten in Frage stellen. Nicht immer, aber oft mit Erfolg.

Vom gegenwärtigen Mantra, dass es viele gute Vorschläge gäbe, diese aber leider nicht realisierbar wären, hält Trojanow wenig. Es sei an der Zeit, die allerorts präsenten "Fetische" Arbeit und Erfolg infrage zu stellen. An ihre Stelle müssten der Reichtum an Zeit und das Ziel der Selbstbestimmtheit rücken.

Abgeschieden vom Rest der Welt

In diesem Sinn beginnt "die Revolution von morgen schon heute im Kleinen". Doch eins vorweg: Dieses Versprechen wird nicht in allen Reportagen aus "Völlig utopisch" eingelöst. Da wären etwa neuseeländische Aussteiger, die sich durch die klassischen Tugenden der Leistungsbereitschaft und Beharrlichkeit eine neue Existenz abgeschieden vom Rest der Welt aufgebaut haben. Ein neues Konzept für ein soziales Miteinander sucht man hier jedoch vergebens.

Oder die US-Amerikanerin Robi Hunter, die sich in einer Wohnwagensiedlung in der kalifornischen Wüste mit Gleichgesinnten die sogenannte "Slab City" errichtet hat. Doch abgesehen von kleinen Überbrückungshilfen spielt gemeinschaftliche Hilfe bei den "Slabbern" keine große Rolle. Ihnen geht es vielmehr darum, den letzten freien Ort Amerikas zu erhalten, wie die Journalistin Kerstin Zilm berichtet.

Aus dem Nichts

In "Völlig utopisch" beeindrucken weniger die Aussteiger, die es geschafft haben, als diejenigen, die scheinbar aus dem Nichts ein neues Gemeinschafts- oder Wirtschaftsmodell begründet haben. Etwa die Arbeiter der argentinischen Fliesenfabrik Zanón, von denen Karen Naundorf berichtet. Das Unternehmen ist eines von 300 in Argentinien, in denen die Arbeiter seit der Wirtschaftskrise 2001 das Kommando übernommen haben. Im Fall der Fliesenfabrik hatte der Besitzer alle Mitarbeiter gekündigt, nachdem die auf ihren Lohn bestanden hatten. Investitionen in notwendige Technologie können sich die Arbeiter derzeit noch nicht leisten, aber zumindest bekommen alle regelmäßig das gleiche Gehalt.

Hilfe ist manchmal nötig

Dass im Angesicht von Krisen, utopische Konzepte leichter umgesetzt werden, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. So auch in Griechenland, wo sich fünf junge Menschen in einer Wohngemeinschaft auf dem Land zusammengetan haben und ihre Lebensweise sukzessive auf Selbstversorgung umstellen. Derzeit benötigen sie zusammen nur 150 Euro pro Monat.

Nur mit Hilfe von außen konnte eine kleine Utopie in Namibia verwirklicht werden, einem Land, in dem der soziale Graben zwischen Arm und Reich besonders tief ist. Im Dorf Otjivero wurde auf Initiative eines deutschen Wirtschaftswissenschaftlers ein bedingungsloses Grundeinkommen für 930 Menschen eingeführt. Die Leute sind nach wie vor von diesen Zuwendungen abhängig, doch sie arbeiten mehr und es entstanden schon nach kurzer Zeit neue wirtschaftliche Kreisläufe, schildert Marc Engelhardt.

"Wer Visionen hat, möge zum Arzt gehen", hat der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal gesagt. Im Großteil der Reportagen in "Völlig utopisch" wird dieses Zitat eindrucksvoll widerlegt. Noch haben nicht alle Projekte Hand und Fuß, doch viele haben das Potenzial, zu alternativen Lebensmodellen zu werden. Nach der Lektüre des Buches ist auf jeden Fall klar: Nach Utopien sollte man nicht in der Vergangenheit suchen.

Service

Marc Engelhardt (Hg.), "Völlig utopisch. 17 Beispiele einer besseren Welt", Pantheon Verlag

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