Sufi-Orden bei der "Ouverture spirituelle"

Alexander Pereira, der Intendant der Salzburger Festspiele, hat für seine "Ouverture spirituelle" den Sufi-Orden Al-Gazoulia eingeladen. Die Männer aus Kairo sind mit ihren rituellen Gesängen zum ersten Mal öffentlich aufgetreten. Einige Künstler, die noch in Salzburg auftreten werden, sprechen hier über die starke Verbindung von Kunst und Sufismus.

Gruppe "Al-Tariqa al-Gazoulia"

(c) Salzburger Festspiele / Stefan Beyer

Kulturjournal, 22.07.2014

Außerdem wird heute Abend ein Werk des ägyptisch-österreichischen Komponisten Hossam Mahmoud uraufgeführt. Mahmoud setzt sich in seiner Arbeit intensiv mit islamischer Mystik auseinander - so wie es Kunstschaffende schon seit Jahrhunderten machen.

Neue Erfahrungen für Publikum und Künstler

Als die rund zwanzig Männer des Sufi-Ordens Al-Tariqa al-Gazoulia am Sonntag erstmals in der vollbesetzten Salzburger Kollegienkirche auftraten, war das wie ein gegenseitiges Kennenlernen: Nicht nur weite Teile des Publikums machten neue Erfahrungen mit einer wenig vertrauten Tradition, auch die Mitglieder von Al-Gazoulia waren mit ihrem Ritual noch nie zuvor in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Das Gebetsritual Haddra

An zwei Abenden führen die Brüder im Rahmen der "Ouverture spirituelle" ihr Gebetsritual, die Haddra, durch. Zu diesem Ritual kommen die Brüder, die sonst im geregelten Berufs- und Familienleben stehen, jede Woche drei Mal zusammen. Der Mediziner Mohamed Shoeib, eines der Mitglieder von Al-Gazoulia, erklärt: "Haddra ist eine Praxis, die uns helfen soll, Gott näher zu kommen. Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, Gott nahe zu sein und ihn zu lieben. Wenn wir das erreicht haben, kommen wir in einen Zustand von Klarheit und Freude." Mithilfe von gesungenen Gebeten und einer Musik, die jedes Mal ekstatisch anschwillt, wird diese Praxis geübt.

Al-Tariqa al-Gazoulia

Die Liebe zu Gott, aber auch zu seinen Geschöpfen steht im Mittelpunkt der Spiritualität von Al-Tariqa al-Gazoulia. 1950 gegründet, hat der Orden noch eine vergleichsweise junge Geschichte, fügt sich aber in die jahrhundertealte Tradition der islamischen Mystik. Als "innere Dimension des Islam" hat die deutsche Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel den Sufismus beschrieben, dessen Anfänge auf das achte Jahrhundert zurückgehen - eine Dimension allerdings, die wie jede mystische Strömung einer Weltreligion unzählige Facetten habe. Gemeinsam ist den vielen Strömungen das Bestreben, sich vom Ego zu lösen, ganz in Gott aufzugehen und das Gute zu erkennen.

Hossam Mahmouds "Seelenfäden"

Eine der Besonderheiten eines Haddra-Rituals ist, dass es sich aus dem Moment, dem jeweiligen Seelenzustand heraus entwickelt. Daher wissen selbst die Teilnehmer nie genau wie das Ritual verlaufen oder wie lange es dauern wird. Bei ihrem Auftritt in Salzburg wird es etwas anders, denn da wirken die Brüder von Al-Gazoulia bei einer durchkomponierten Uraufführung mit: Der ägyptisch-österreichische Komponist Hossam Mahmoud hat im Auftrag der Salzburger Festspiele ein Werk für Sufi-Chor, gemischten Chor und Ensemble komponiert: Es trägt den Titel "Seelenfäden" und ist inspiriert von den letzten Worten des Sufi-Märtyrers Mansur al-Hallag, der 922 hingerichtet wurde.

Die ständige Wiederholung von Melodie und Rhythmus, genaue Bewegungsabläufe und der Einsatz des Atems sind eingeübte Vorgänge im Sufi-Ritual, die das Aufgehen des Einzelnen in der Gruppe und im Göttlichen unterstützen sollen. Fasziniert von der Musik der Sufis ist auch der Salzburger Geiger Frank Stadler. Der koordinierte Konzertmeister des Mozarteum Orchesters Salzburg ist dieser Tage nicht nur im Großen Festspielhaus im Einsatz, sondern wird am Donnerstag in der Kollegienkirche auch mit dem Sufi-Chor auftreten und über die Gesänge improvisieren.

Meister der Entschleunigung

Seit langem ist Stadler auch mit Hossam Mahmoud künstlerisch verbunden, hat mehrere Kompositionen von ihm zur Uraufführung gebracht und Konzerte mit improvisierter arabischer Musik gegeben. Die spirituell ausgerichtete Musik der Sufi-Mönche erfordert aber auch für ihn einen speziellen Zugang.

Über die "Kunst des Müßiggangs" schrieb schon Hermann Hesse. In der beginnenden Schnelllebigkeit des Westens zeigte sich der Autor von den Menschen des Orients fasziniert und bezeichnete sie als "Millionäre an Zeit". Die Sehnsucht nach Entschleunigung ist auch heute wieder spürbar - davon weiß Parvis Mamnun zu berichten. Der iranischstämmige Wiener Theatermacher hat sich in der Kunst des Erzählens einen Namen gemacht und Hörbücher veröffentlicht. In Salzburg spricht er nun über die Sufis als Meister der Langsamkeit.

Es mag am Wertewandel liegen, der sich derzeit in der westlichen Welt vollzieht, dass die Sufi-Brüder nun auch in Salzburg nicht als skurrile Exoten, sondern eher als spirituelle Vorbilder betrachtet werden. Auch verbreitete Vorurteile und Islam-Feindbilder geraten damit gehörig ins Wanken.

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