Ostukraine: Beschuss verletzt Menschenrechte

Unter dem Krieg in der Ostukraine leidet immer stärker die Zivilbevölkerung. Immer mehr Zivilisten werden durch den Beschusses von Wohngebieten mit Artillerie und Raketenwerfern getötet. Den Einsatz derartiger Waffensysteme kritisiert die Menschenrechts-Organisation "Human Rights Watch" massiv.

Mittagsjournal, 1.8.2014

"Verletzung von humanitärem Kriegsvölkerrecht"

Die Rosa-Luxenburg-Straße in Donezk zählt zu den schönen Wohngebieten dieser Millionenstadt. Durch Artillerie-Beschuss wurde in dieser Straße vor wenigen Tagen eine Person getötet und ein Hochhaus massiv beschädigt. Wenige Meter vor dem Eingang sind die drei Krater deutlich sichtbar. Sie fotografiert und vermisst der Norweger, Ole Solvang, der für „Human Rights Watch“ Verletzungen des humanitären Kriegsvölkerrechts in der Ostukraine dokumentiert. Seine Schlussfolgerungen am Tatort in der Rosa-Luxenburg-Straße lauten so: "Hier kam kein Raketensystem GRAD zum Einsatz; die drei Krater sind größer, außerdem gibt es mehr Spuren von Schrapnells an den Wänden. Das dürfte ein Artilleriebeschuss mit einem ziemlich großen Kaliber gewesen sein. Alle drei Krater liegen an der Nordostseite des Gebäudes, was darauf hinweist, dass die Geschoße aus dieser Richtung kamen. Da dieses Gebiet von den Separatisten kontrolliert wird und sich in der Nähe einer ihrer Stützpunkte hier befindet, sind Hinweise darauf, dass diese Granaten von den ukrainischen Truppen abgefeuert wurden."

Die Rosa-Luxenburg-Straße ist ein gutes Beispiel dafür, dass in diesem Krieg ukrainische Truppen wie prorussische Rebellen Menschenrechtsverletzungen begehen. Dazu sagt Ole Solvang: "Truppen oder Waffensysteme in bewohnten Gebieten zu stationieren, ist auch eine Verletzung von internationalem Recht, weil damit Zivilisten gefährdet werden. Das tun die Separatisten, in dem sie Stützpunkte in bewohnten Gebieten von Donezk haben. Andererseits feuern auch die ukrainischen Truppen Raketenwerfer vom Typ GRAD aus bewohnten Gebieten ab. Somit haben wir es hier mit einer mehrfachen Verletzung von humanitärem Kriegsvölkerrecht zu tun."

Große Gefahr durch breite Streuung

Human Rights Watch hat jüngst vor allem den Einsatz des Raketenwerfersystems GRAD massiv kritisiert. Seine maximale Einsatzschussweite liegt bei 20 Kilometern, wobei die Streuung eine Fläche umfasst, die größer als sieben Fußballfelder ist. Selbst wenn das Ziel ein militärisches ist, besteht somit große Gefahr für die Zivilbevölkerung. Dazu sagt Ole Solvang, der als ehemaliger Offizier der norwegischen Streitkräfte für Human Rights Watch unter anderem auch in Syrien im Einsatz war: "Human Rights Watch hat viele Fälle dokumentiert, wo beide Konfliktparteien ungelenkte Raketen verwendet haben. Dieses GRAD-System besteht aus 40 Raketen, die zeitgleich abgefeuert werden können. Einerseits sind dieses Raketen sehr ungenau; anderseits decken diese Raketen eine große Fläche ab, wenn sie zeitgleich abgefeuert werden. Daher fordern wir beide Parteien auf, dieses GRAD-System nicht in bewohnten Gebieten zu verwenden. In der Vorwoche haben wir einen Bericht über den Einsatz dieses Systems durch die ukrainischen Truppen veröffentlicht; dabei wurden in vier Angriffen 16 Zivilisten in Donezk getötet."

Zum Handkuss kommen Zivilsten aber auch, weil viele Kämpfer auf beiden Seiten keine ausgebildeten Soldaten, sondern Freiwillige sind, die nach wenigen Wochen in den Kampfeinsatz geschickt würden, betont Ole Solvang: "Wir wissen auch nicht, wie erfahren die Mannschaften sind, die derartige Raketenwerfer bedienen. Denn im Süden von Donezk stehen nicht nur die ukrainischen Streitkräfte, sondern auch die Nationalgarde, die auch aus Freiwilligen gebildet wurde. Gerade wenn die Nationalgarde gefeuert haben sollte, stellt sich die Frage nach der Erfahrung im Umgang mit diesem Waffensystem, und das kann erheblich die Genauigkeit beeinflussen, mit der diese Raketen eingesetzt werden."

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