Eine kurze Geschichte der Hummel

Und sie fliegt doch

Die Hummel ist vom Aussterben bedroht. Ihr Verschwinden, so der führende britische Hummelforscher Dave Goulson, hätte gravierende Folgen für unsere Gesellschaft. In seinem Buch "Und sie fliegt doch" will Goulson Begeisterung für ein Insekt schüren, das zu einem Produkt geworden ist.

Eine Suchanleitung

Setzen Sie sich 20 Minuten in einen Liegestuhl im Garten, schauen Sie in die Luft und warten Sie ab: Das ist die beste Chance, ein Hummelnest zu finden. Die dicken Brummer sind nämlich nicht leicht zu finden. Ihre Nester sind im Boden vergraben und es gibt weit weniger Flugverkehr als bei Bienen: Ein Bienennest kann Zehntausende Arbeiterinnen beherbergen, ein Hummelnest hingegen nur 300 bis 400 Arbeiterinnen. Dieser Tipp stammt vom wichtigsten britischen Hummelforscher Dave Goulson, dem Gründer der "Bumblebee Conservation Trust", eine Stiftung zur Rettung der Hummeln. Die Stiftung hat viel zu tun, denn Hummeln sind vom Aussterben bedroht.

Durch Monokulturen gefährdet

Hummeln bauen ihre Nester am liebsten unter Hecken oder Grenzzäunen. Davon gibt es viel weniger als früher. Die Felder sind wesentlich größer geworden und statt Schlüsselblumen wächst jetzt nur mehr Getreide oder andere Monokulturen. Die Blumenwiesen sind überall in Europa verschwunden.

Vielseitige, effektive Bestäuber

Dabei war die Erdbauhummel wie andere Hummeln gar nicht wählerisch. Hummeln sind - im Gegensatz zu Bienen - unterschiedlich groß. Dadurch können sie ein ganzes Spektrum von Blüten nutzen: kleine, mit kurzen Rüsseln ausgestattete Hummeln fliegen flache Blumenkronen an, große Hummeln sammeln bei Blumen mit einem tiefen Kelch. Diese Vielseitigkeit macht sie zu effektiven Bestäubern.

Hummel-Export und Pestizide-Stopp

Im Jahr 1985 entdeckte ein Hummelliebhaber, dass seine Gewächshaustomaten sehr effektiv von Hummeln bestäubt werden. Bis dahin sind Tomaten von Hand bestäubt worden: Arbeiterteams mussten mit vibrierenden Stäben jede Blüte einzeln berühren. Jetzt versetzen Hummeln die Blüten in Schwingung und schütteln die Pollen heraus. Der Mann gehört heute zu den größten Produzenten von Hummeln.

Aus ökologischer Sicht hat das einen Vorteil: Die Tomatenerzeuger können keine Pestizide verwenden, weil sie sonst ihre Hummeln töten. Die große Gefahr der Zucht ist allerdings, dass Hummeln Krankheiten einschleppen. Importierte Milben gefährden zum Beispiel Hummeln in Japan, Chile und Argentinien. Ferntransporte sollten verboten werden, fordert Dave Goulson.

Irrsinn mit Methode

Noch ist es nicht so weit wie in Sechuan in China, wo die Wildbienen ausgerottet wurden. Heute hängen dort hunderte Arbeiter in den Birnbäumen und betupfen mit einem Pinsel jede einzelne Blüte. Die Bilder gingen um die Welt. Der Irrsinn hat aber auch im Westen Methode.

Das Wesen der Welt

Woher weiß die Hummel das?

Wie viel Aufwand betrieben wird, um einzelne Hummelarten zu retten, beschreibt Goulson eindrücklich. Der Erfolg ist fraglich. Denn noch weiß man noch viel zu wenig über einzelne Arten, um sie wirklich retten zu können. Das, was man weiß, ist faszinierend:

Hummeln würden nie eine Blüte anfliegen, die zuvor schon von einem anderen Insekt besucht wurde - und zwar genau 40 Minuten lang. Das ist exakt die Zeit, die eine Blüte braucht, um den Nektar aufzufüllen. Woher können Hummeln wissen, wie lange der letzte Besuch schon weg ist?

Das ist nur eines der Rätsel, dem Dave Goulson auf den Grund geht. Er macht das so spannend wie nur einer vor ihm: der österreichische Bienenforscher und Nobelpreisträger Karl von Frisch. Seine "Erinnerungen eines Biologen" sind derzeit leider nur antiquarisch erhältlich. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Goulson ihn mit keinem Wort erwähnt. Was ein wenig verwundert. Goulson tritt jedenfalls an, um die Welt der Hummeln zu retten.

Service

Dave Goulson, "Und sie fliegt doch. Eine kurze Geschichte der Hummel", aus dem Englischen von Sabine Hübner, Carl Hanser Verlag München, 2014

Bumblebee Conservation Trust

Übersicht

  • Natur