Redouten, Karoussel und Köllnerwasser
Der Wiener Kongress
Der Kunst- und Kulturhistoriker Hannes Etzlsdorfer öffnet ein anekdotenhaftes Fenster in ein Wien des Jahres 1814. Dabei konzentriert er sich weniger auf die politischen Ereignisse rund um den "Wiener Kongress", sondern auf den Alltag der einfachen Bewohner in Wien. Er stützt sich dabei auf Originaldokumente, Tagebücher, Zeitungen oder Briefe.
27. April 2017, 15:40
Fasanenjagd im Prater, Karoussel in der Winterreitschule, festliche Redouten in der Hofburg - der Wiener Kongress war ein Ort allerhöchsten Amüsements. Als Karoussel bezeichnete man Geschicklichkeitsbewerbe für Reiter und Wagenfahrer, und Redouten waren Maskenbälle mit festlicher Kleidung in prunkvollem Ambiente, die während des Kongresses auch mehrmals in den gleichnamigen Sälen in der Wiener Hofburg veranstaltet wurden.
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Fast scheint es so, als wollte man damit die entbehrungsreichen wie turbulenten Kriegsjahre unter Napoleons Joch mit allen Mitteln vergessen machen. Denn nie zuvor stand die Residenzstadt Wien derart in der internationalen Auslage. Noch nie war sie mit einem solchen Ansturm von Gästen aus aller Welt konfrontiert gewesen.
Der Historiker und Kunsthistoriker Hannes Etzlstorfer vergisst aber auch den Alltag der einfachen Stadtbewohner nicht. Eine wichtige Quelle für seine Chronologie des Kongresses ist das Tagebuch des Hofbeamten Matthias Franz Perth. Am 20. September 1814 notierte der kaiserlich-königliche Rechnungsbeamte:
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Heute wurde eine große Anzahl von Kanonen rings um die Wälle aufgeführt, die zu den bevorstehenden Feyerlichkeiten bestimmt sind. Ebenso ist auch die Straße von Wien bis Brünn mit Artillerie besetzt, welche den Kaiser von Russland bis in unsere Hauptstadt mit dem Kanonendonner begleiten wird. Die meisten Häuser in Wien, besonders in der Stadt und in der Jägerzeile werden renoviert, und so gewinnt die Residenz beynahe ein verjüngtes Aussehen.
Unterkünfte für 100.000 Gäste
Solche Beschreibungen eines Zeitzeugen ermöglichen uns einen direkten Blick auf das Leben der Menschen in einer Stadt, die während des Kongressjahres fünfzig Prozent mehr Bewohner hatte als zuvor. Lebten normalerweise um die 200.000 Menschen in Wien, musste während des Kongresses Platz für weitere 100.000 geschaffen werden. Denn die hohen Herrschaften reisten mit Hofstaat, Leibgarde, Dienstboten und Küchenpersonal. Da die im Vergleich mit London oder Paris noch recht kleine Stadt kaum elegante Hotels hatte wurden ganze Adelspalais angemietet - wie jenes des Fürsten Kaunitz, in dem die französische Delegation abstieg.
Solche Beschreibungen eines Zeitzeugen ermöglichen uns einen direkten Blick auf das Leben der Menschen in einer Stadt, die während des Kongressjahres fünfzig Prozent mehr Bewohner hatte als zuvor. Lebten normalerweise um die 200.000 Menschen in Wien, musste während des Kongresses Platz für weitere 100.000 geschaffen werden. Denn die hohen Herrschaften reisten mit Hofstaat, Leibgarde, Dienstboten und Küchenpersonal. Da die im Vergleich mit London oder Paris noch recht kleine Stadt kaum elegante Hotels hatte wurden ganze Adelspalais angemietet - wie jenes des Fürsten Kaunitz, in dem die französische Delegation abstieg.
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Dem Wiener Hof war aber auch klar, dass für die Unterbringung der allerhöchsten Herrschaften nur ein standesgemäßes Quartier in Frage käme. Daher wurde zur Unterbringung der politisch ranghöchsten Gäste bereits im Februar 1814 die Räumung mehrerer Teile der Hofburg angeordnet, wie aus einem Brief des Obersthofmeisters Ferdinand von Trauttmannsdorff vom 16. Februar 1814 an das k.k. Oberstkämmereramt hervorgeht.
Nicht alles war Gold, was glänzte
Hannes Etzlstorfer ist, wie man anhand dieses Zitats erahnen kann, ein fleißiger Erforscher interessanter Details. Er zitiert aus Büchern, Briefen, Zeitungen und Tagebüchern und ergänzt diese um Originaldokumente aus dem Haus- Hof- und Staatsarchiv. Wir erhalten so ein Gesamtbild des Lebens in Wien zur Zeit des Kongresses - wo bei weitem nicht alles Gold war was glänzte.
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Diskret zu bewältigen galt es bei den Vorbereitungen bei Hofe auch noch jenes Problem, das den nüchternen und für seine Sparmaßnahmen geradezu gefürchteten Kaiser Franz den I. beschäftigte. So musste viel von dem für das kaiserliche Decorum unverzichtbare Tafelsilber immer wieder "versilbert" werden, um die notorisch leeren Staatskassen zu füllen. Um den Schein des golden glitzernen Tafelgeschirrs zu wahren, kamen nun auch Tafelporzellan und wenig später auch Tafelbronze als Surrogate für Gold und Silber auch bei den öffentlichen Tafeln zum Einsatz.
Besuchsverbot für Faschingsball
Wie es am anderen Ende der Klassengesellschaft aussah, erfahren wir bei Hannes Eztelstorfer auch durch ein Zitat aus einem Dramolett des Hoftheaterdichters am Kärntnertortheater, Ignaz Franz Castelli. Er schrieb über eine Köchin, deren Herr ihr verbot, während des Kongresses einen Faschingsball zu besuchen. Die Hausangestellte quittiert daraufhin ihren Dienst und hinterlässt einen Abschiedsbrief.
Zitat
"Gnädiger Herr, ein Dienstboot ist auch ein Mensch, welche ihr Underhaldung haben will. Ich hab’ vom Fasching noch garnichts genossen, ich muss heunt auf den Napoleonsaal gehen. Leben Sie wohl, wir seng uns nicht mehr. Meine Sachen wir ich abholen lassen, die Monatsgaschi schenk ich Ihnen."
Hannes Etzlstorfers Buch über den Wiener Kongress bietet gute Unterhaltung, die keinen Lokalkolorit vermissen lässt. Der Band erhebt, obwohl seriös wissenschaftlich recherchiert, nicht den Anspruch, ein Beitrag zur Forschung über den Inhalt des Wiener Kongresses zu sein. Er ist eine chronologische Erzählung in kurzen Kapiteln zu den verschiedensten Aspekten, die den Alltag der Menschen in Wien am Beginn des 19. Jahrhunderts ausmachten. Jenes Jahrhunderts, dessen technische Innovationen, medizinische Fortschritte und soziale Umwälzungen dieses Leben für immer zum Verschwinden bringen sollten.
Service
Hannes Etzlstorfer, "Der Wiener Kongress. Redouten, Karoussel und Köllnerwasser", Verlag Kremayr&Scheriau 2014