Twitter-Poet Tao Lin in Wien

Vor kurzem ist auch auf Deutsch ein Buch erschienen, das in seiner englischen Originalversion für Furore gesorgt hat: "Taipeh" des jungen New Yorker Autors Tao Lin. Vom Poster-Boy einer neuen Generation ist die Rede, vom Twitter-Poeten und Hipster-Philosophen. Gestern war Lin in Wien.

Viele Kritiker sehen die Sache aber nicht ganz so uneingeschränkt positiv. Von den einen wird Tao Lin als "Kafka der Generation Facebook" gepriesen, von den anderen als überschätztes Medienphänomen abgetan. Am 18. September gastierte der Autor in der Wiener Hauptbücherei, um aus "Taipeh" zu lesen.

Morgenjournal, 19.9.2014

Tao Lin im Gespräch mit

Sein Roman "Taipeh" hat Tao Lin auf die Titelseiten katapultiert. Wobei auf Websites, Timelines oder Twitter-Feeds wohl die genauere Bezeichnung wäre. Tao Lin wird als Internet-Phänomen gefeiert und vermarktet. Als Sprachrohr einer Generation, die Geschichten nicht mehr durch Umblättern entdeckt, sondern durch das Scrollen mit der Mouse. Dass das gar nicht stimmt und er mit gedruckten Büchern aufwuchs steht nirgendwo. Vielleicht auch ein Grund für die monatelange Depression durch die Tao Lin nach der Veröffentlichung von Taipeh ging: da fast nichts was geschrieben wird stimme, so der Autor.

Internet, ein Natur- und Hinterhofersatz

Für den 31-Jährigen, so viel steht fest, bestimmt das Internet das Leben. In der Vernetzung erkennt Tao Lin den "Versuch Einheit zu erreichen". Privatsphäre, sogar das Individuum, werden in seiner Vision sekundär. Geht es nach Tao Lin, dann wird alles eins durch das Internet. Sogar die Vorstellungskraft der Menschen, ihre Fantasie, wandere langsam ins Netz ab. Für Tao Lin ein organischer, natürlicher Vorgang.

Für seine Generation, so der New Yorker, hat das Internet den Wald oder einen Hinterhof als unbeobachteten Spielplatz ersetzt. Es wurde zum Fluchtpunkt und Geheimcode der um die Jahrtausendwende geborenen "Millennials".

Das ist auch das Thema seines nun auf Deutsch erschienenen dritten Romans "Taipeh". Die Untrennbarkeit von online und offline. Ausgedrückt in einer unaufhaltsam fließenden Sprache, einem Strom aus Eindrücken und Gedanken.

Tao Lin feiert in Taipeh das Online-Exil als Lebens-Option. Erträglich wird das nur durch Medikamente und Rausch-Zustände. Ohne bewusstseinsändernde Drogen, so Tao Lin offen, gibt es auch im wirklichen Leben für ihn kein Vorwärtskommen.

Für Tao Lin ist das Netz gleichzeitig Form und Inhalt seiner Kunst. Ob das nun Prosa, Poesie oder nur Pose ist, ist unwichtig. Vielleicht schaut er so aus, der Cyborg, die Mensch-Maschine der Zukunft. Weniger wie Arnold Schwarzeneggers Terminator und mehr wie ein suchender New Yorker Autor.

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