Ulrich Seidls "Im Keller"

Es gibt kaum einen Film des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl, der nicht auch abseits der Kinoleinwand für Aufregung sorgt. Im Fall des nächste Woche in den Kinos anlaufenden Werks "Im Keller" sind zwei ÖVP-Gemeinderäte in einem burgenländischen Ort nahe Mattersburg zurückgetreten, die ein im Film dokumentiertes Naheverhältnis zu einem Altnazi pflegen.

Männer um einen Tisch mit Nazi-Devotionalien

Umstrittene Szene aus Ulrich Seidls Film "Im Keller"

APA/STADTKINOVERLEIH

Morgenjournal, 20.9.2014

Der Keller ist ein Ort des Verborgenen. Einerseits kann man nicht nach draußen sehen, andererseits kann man von außen nicht hinein sehen. Der Keller ist also ein Ort von seltsamer Intimität, ideal um geheime Wünsche und Neigungen auszuleben. Dabei interessieren Ulrich Seidl weniger die Modelleisenbahnfreaks oder Fitnessfanatiker, sondern Menschen, die bereit sind, ihre Abgründe offen zu legen. Etwa ein verhinderter, aber dafür waffenkundiger Opernsänger, eine Mittfünfzigerin, die gerne mit lebensechten Babypuppen spielt, oder der Hitler-Fanatiker, der die Kellerräumlichkeiten entsprechend dekoriert hat und zum feuchtfröhlichen Beisammensein gerne Freunde einlädt, inklusive erfrischender Ehrlichkeit: „I sauf eigentlich schon sehr vü“.

Sadomaso im Keller

Am ausführlichsten interessieren Seidl die sexuellen Praktiken der Österreicher im Keller, vorzugsweise sadomasochistischer Prägung. Es ist schon erstaunlich, welche Bekenntnisse Regisseur Seidl seinen Protagonisten entlockt. Er arbeitet dabei nicht rein dokumentarisch, sondern greift gestalterisch ein: „Auch wenn die Menschen in meinem Film sehr authentisch sind, gibt es doch auch Handlungsstränge, die erfunden sind,“ so Ulrich Seidl.

Saubere Toilette

Doch Ulrich Seidl übertreibt gerne. So aufschlussreich und komisch er ins Innenleben seiner Protagonisten blickt, so sehr erliegt er auch immer wieder dem Reiz der herausgekitzelten Offenheit und Schauwerte. Da reinigt ein Sex-Sklave mit der Zunge die Toilette und erledigt die Küchenarbeit nackt und mit kiloschweren Gewichten am Hodensack. Dass der beleibte Mann danach auch noch unter schmerzhaftem Stöhnen von seiner Ehe-Frau und Domina an den Genitalien mit einer Art Flaschenzug hochgezogen wird, steigert zwar den Effekt, bringt aber keinen neuen Erkenntnisse mehr über die handelnden Personen und ihre Beziehungen. Dann drängt sich genau jener Eindruck auf, den Seidl eigentlich vermeiden möchte: „Ich suche keine Menschen, die sich selbst gerne vor der Kamera darstellen, sondern ich suche Menschen, die in sich Unzulänglichkeiten und enttäuschte Hoffnungen haben und selbst auf der Suche nach etwas sind.“

Im Rahmen des Erwartbaren

Ziel sei eine Verstörung im konstruktiven Sinne, „weil wenn man verstört ist, wird man sich letztlich auch Gedanken machen, warum man verstört ist.“ Wirklich verstören wird "Im Keller" wohl nur noch Ahnungslose. Die Methode Seidl fördert zwar erneut Skurriles zu Tage, das aber letztlich im Rahmen des Erwartbaren bleibt. Immerhin kann man hier einmal - ganz ohne schlechte Nachrede - in den sprichwörtlichen Keller zum Lachen gehen.