Wie viel Investment verträgt die Kunst?

Die Kunst der Gegenwart hat die Alten Meister abgelöst - zumindest was den Kunstmarkt betrifft. Und auch das Publikum interessiert sich mehr denn je für zeitgenössische Kunst, wenn man die Besucherzahlen bei Ausstellungen hernimmt. In Wien beginnt diese Woche die Kunstmesse Viennafair mit den aktuellen Trends auf dem Kunstmarkt.

Morgenjournal, 29.9.2014

Nach der Finanzkrise von 2008 hat sich der Markt für Gegenwartskunst rasch erholt - und heute prosperiert er mehr denn je, zumindest was das hochpreisige Segment betrifft. Gleichzeitig ist das Interesse des Publikums an Ausstellungen, Kunstmessen und anderen Events gestiegen. Der deutsche Autor Georg Seeßlen betrachtet die mit der Popularisierung der Kunst einhergehende Ökonomisierung skeptisch. Der Kunstmarkt verspreche eine ständige Steigerung und Expansion, und spreche damit nicht zuletzt korrupte Eliten der Schwellenländer – und zwar gezielt, beschreibt Georg Seeßlen eine der Kehrseiten des global boomenden Geschäfts mit der Kunst.

Wenn ein Anleger aus Profitgier das gesamte Werk eines Künstlers aufkauft, oder wenn sich die Verkaufspreise einer Künstlerin innerhalb von einem Jahr verzehnfachen, dann ist das bedenklich, sagt Christina Steinbrecher, künstlerische Leiterin der Wiener Kunstmesse Viennafair, so könne man Künstler ganz schnell komplett vom Markt nehmen.

"Geld frisst Kunst - Kunst frisst Geld" heißt eine im Suhrkamp Verlag erschienene Streitschrift, die Georg Seeßlen gemeinsam mit Markus Metz über die Ökonomisierung der Kunst verfasst hat. "Diese Ökonomisierung ist nicht mehr aufzuhalten. Sie lässt keinen Spielraum für eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was uns eigentlich Kunst bedeutet. Wir können über Kunst nicht mehr reden, ohne über Geld zu reden", sagt Seeßlen.

Ähnlich denkt der renommierte amerikanische Künstler Joseph Kosuth. Einen Pakt zwischen Kultur und Wirtschaft habe es immer schon gegeben, aber das bedeute nicht, dass die Künstler die Bestimmung von Inhalten und die Produktion von Bedeutung dem Markt überlassen dürfen.

Im 21er Haus in Wien ist derzeit die von Kosuth gestaltete Ausstellungshommage an Sigmund Freud zu sehen. Er selbst ist ein Pionier der Konzeptkunst, einer in den 1960er Jahren entstandenen Kunstrichtung, die die Idee und das Konzept eines Kunstwerks vor dessen Ausführung und Verkaufbarkeit stellt. Von der jungen Künstlergeneration fordert Joseph Kosuth, sich die Inhaltshoheit zurück zu holen und Erfolg nicht allein nach wirtschaftlichen Kriterien zu bemessen.

Die Kunstmesse Viennafair wird am Mittwoch eröffnet - und im Ö1 "Kulturjournal" ist heute eine ausführliche Diskussion zum Thema "Kunst als Kapitanlage" zu hören, an der Akteure und Kritiker des Kunstmarkts teilnehmen. Um 17:09 Uhr auf Österreich 1.

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