Michael Haneke: Keine Biographie

"Haneke. Keine Biographie" lautet der Titel der bisher umfangreichsten Einzelstudie über den österreichischen Filmemacher Michael Haneke, die die Wiener Film- und Medienwissenschaftlerin Katharina Müller jetzt herausgebracht hat.

Das über 400 Seiten starke Buch ist eine Chronik seines bisherigen filmischen Schaffens, getragen von den Gedanken des Regisseurs und einer Vielzahl an Stimmen aus Wissenschaft und Medien. Gemeinsam mit Haneke hat Müller ihre Arbeit im Wiener Metrokino präsentiert.

Morgenjournal, 21.10.2014

Mit einem bedauernden "Oje" soll Michael Haneke reagiert haben, als ihm Katharina Müller von ihrer Doktorarbeit erzählte, die ihn und sein filmisches Schaffen zum Thema haben sollte. Das letzte Buch, das er über sich selbst gelesen habe, sei ein "masturbatorischer Schaaß" gewesen, zitiert ihn die Autorin im Interview - soll heißen: für ein Fachpublikum geschrieben, aber für ihn selbst, den Regisseur, unverständlich. Solch harte Worte benutzte Haneke bei der gestrigen Buchpräsentation freilich nicht, doch seine generelle Skepsis gegenüber der Filmwissenschaft bekräftigte er.

Sobald Kunst interpretiert werde, atme sie nicht mehr, so Haneke. Allerdings hat es Katharina Müller in ihrem Buch "Haneke. Keine Biographie" auch nicht auf eine weitere Interpretation seines Schaffens abgesehen. Sie mache es wie Haneke in seinen Filmen, so die Autorin: Sie bewerte nicht, sondern beschreibe nur, und habe schlicht alles zusammengetragen, was vorhanden war: Sämtliche Stimmen aus Medien und Wissenschaft, die sich zum Regisseur und seinen Arbeiten geäußert haben, sowie eigene Interviews. Neben einem kleinen wissenschaftlichen Teil, den Müller augenzwinkernd mit "Masturbation" übertitelt hat, findet sich eine Komposition des umfangreichen Textmaterials, die sich fast wie ein Roman liest. Dabei geht es auch um die Vereinnahmung Hanekes als "österreichischen Filmemacher" und das neuen Interesse am "nationalen Kino" - für Haneke nicht unbedingt ein negativer Begriff.

Gehe es bei der europäischen Filmförderung oder auch bei Auszeichnungen wie in Cannes vorrangig um Qualität, sei der Oscar ein Wirtschaftspreis, sagt Haneke. Natürlich freue er sich, dass er mit "Amour" im Vorjahr den Oscar für den besten fremdsprachigen Film bekommen habe, zu viel einbilden dürfe man sich darauf aber nicht. Überwiegend gehe es beim Oscar darum, der US-amerikanischen Filmwirtschaft etwas Gutes zu tun.

Woran er derzeit arbeitet, wollte Haneke bei seinem gestrigen Auftritt im Wiener Metrokino nicht sagen; im Frühjahr hatte er verraten, das Drehbuch für einen neuen Film fertig zu haben, ohne weitere Details bekannt zu geben. Abgeschlossen ist für den Filmemacher bis auf Weiteres seine Arbeit als Opernregisseur; seine Madrider Inszenierung von Mozarts "Così fan tutte" wurde im Juni bei den Wiener Festwochen gezeigt.