Ukraine: Wahlen und Wirtschaftskrise

Die Ukraine wählt am Sonntag ein neues Parlament - und es sind dies Wahlen vor dem Hintergrund einer schweren Wirtschaftskrise. Der politische Umsturz und der Krieg im Osten haben ihre Spuren hinterlassen. Um bis zu zehn Prozent wird die ukrainische Wirtschaft dieses Jahr schrumpfen.

Morgenjournal, 23.10.2014

Die Forderung der Demonstranten vom Kiewer Maidan nach mehr Sauberkeit in der Politik hat die Ukraine bisher noch kaum umgesetzt, sagt der Ökonom Sergej Jakubowski von der Universität Odessa, die Parlamentswahlen am Sonntag werden dies deutlich zeigen.

Leider wird das neue Parlament ums nichts besser sein als das jetzige. Die Vertreter der großen Konzerne werden das Parlament erneut beherrschen. Meine einzige Hoffnung ist, dass vielleicht zumindest ein Teil der neuen Parteien ins Parlament einzieht, dann wären vielleicht 5 oder 10 Prozent der Abgeordneten nicht abhängig von den Oligarchen, aber der bei weitem größere Teil des Parlaments werden wieder Vertreter der ganz reichen Ukrainer sein, und die haben überhaupt kein Interesse an Reformen, weil ihnen alles so passt, wie es derzeit läuft.

Die Hälfte oder vielleicht sogar noch mehr der ukrainischen Wirtschaftsleistung wird in der Schattenwirtschaft erbracht, drei Viertel der ukrainischen Exporte werden über Steueroasen abgewickelt, die Oligarchen verdienen weiterhin prächtig, während die Realeinkommen der Bevölkerung schrumpfen und die Staatskasse leer ist, sagt Jakubowski.

Das wichtigste wäre, das politische System zu ändern, die Beziehungen zwischen der Großindustrie und dem Staat, weil nach wie vor steht die Großindustrie über dem Staat, die ukrainische Regierung muss jede Entscheidung mit den Oligarchen abstimmen.

Und auch, dass es den Demonstranten vom Maidan gelungen ist, Ex-Präsident Janukowitsch aus dem Amt zu jagen, hat dieses System nicht erschüttern können, sagt Jakubowski.

Die derzeitige ukrainische Elite ist vom Geld der Oligarchen vollständig abhängig. Und daher ist es unmöglich, dieses System von innen heraus, aus eigener Kraft des Landes zu zerstören. Das System bringt einfach keine Leute an die Macht, die das System zerstören würden. Wir haben ja schon mehrere Revolutionen erlebt - aber stets wurde der Präsident ausgewechselt und das System ist das gleich geblieben.

Jakubowski hat nun aber eine andere Hoffnung: Die Ukraine steht am Rande des Staatsbankrots, erklärt der Ökonom, sie ist derzeit vollkommen von Krediten der EU und des Internationalen Währungsfonds abhängig - diese Institutionen haben daher jetzt einen Hebel, über den sie Einfluss auf das Land nehmen können.

Wenn jetzt die Europäische Union und der Währungsfonds den Kampf gegen die Korruption in der Ukraine scharf kontrollieren und der Regierung nicht einen Cent geben, wenn diese die erteilten Auflagen nicht erfüllt, nur dann wird die Regierung Maßnahmen gegen die Korruption und die rechtswidrigen Kapitalabflüsse aus dem Land ergreifen - auf andere Weise lässt sich das ukrainische Machtsystem nicht verändern.

Aber wenn sich dieses System nicht verändert, so die Warnung des Ökonomen, dann wird die Ukraine auch in politischer Hinsicht ein Krisenherd in Europa bleiben.