Neues Beschwerderecht für Bürger

Neue Beschwerdemöglichkeit in Österreich: Wer meint, in einem Strafprozess oder bei einer Zivilklage nach einem verfassungswidrigen Gesetz verurteilt worden zu sein, kann sich ab Anfang Jänner direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden. Mit 150 Beschwerden pro Jahr wird gerechnet. Das Gesetz soll heute im Nationalrat beschlossen werden.

Morgenjournal, 19.11.2014

Gesetze überprüfen lassen

Bisher war man in einem Straf- oder Zivilverfahren letztlich auf die Zustimmung des Gerichtes angewiesen, wenn man der Meinung war, dass das dem Verfahren zugrunde liegende Gesetz der Verfassung widerspricht. Es war nämlich die Richterin, der Richter, der es in der Hand hatte, die Sache dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Rechtsanwalt Michael Rohregger, der sich im Auftrag der Rechtsanwaltskammern mit dem neuen Gesetzesentwurf beschäftigt hat, sagt, die Gerichte hatten vor allem die zivil- und strafrechtlichen Fragen vor Augen. Die Frage der Verfassungskonformität der Rechtslage sei nicht das zentrale Thema im Verfahren.

Jetzt soll das anders werden: Jede Partei im Straf- oder im Zivilprozess kann nun, parallel zur Berufung im eigentlichen Verfahren, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Überprüfung des Gesetzes stellen. Gut so, sagt Rechtsanwalt Rohregger. Ein österreichisches Unikum werde damit beseitigt.

Wenn der Verfassungsgerichtshof feststellt, dass die erste Gerichtsinstanz tatsächlich ein verfassungswidriges Gesetz angewendet hat, wird dieses aufgehoben, und die zweite Instanz muss nach der neuen Rechtslage entscheiden.

Einige Ausnahmen

Es gibt auch Kritik am neuen Gesetz. Denn: Manche Rechtsbereiche sind von der neuen Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen: das Insolvenzverfahren zum Beispiel, oder das Exkeutionsverfahren - bei der Eintreibung von Schulden, oder der gerichtliche Streit um die Kündigung von Mietverträgen. Michael Rohregger: die Rechtfertigung war, dass es Verfahren gebe, die besonders schnell abgehandelt werden müssen und nicht mit noch einer Zwischeninstanz. Das sei aber bei manchen der Ausnahmen nicht ersichtlich.

Als Beispiel für den Nutzen der neuen Regelung nennt Anwalt Rohregger das aktuelle VfGH-Verfahren über die Stellung von Sachverständigen in Strafprozessen. Es wurde - gemäß der noch geltenden Rechtslage vom Obersten Gerichtshof ins Rollen gebracht. Rohregger sagt, das Verfassungsgerichtshofverfahren hätte wohl schon vor drei oder vier Jahren stattfinden können, wenn nur Prozessparteien das heute im Nationalrat zu beschließende Beschwerderecht schon gehabt hätten.