Iraner blicken gebannt auf Wien

In Wien wird um einen Kompromiss zur Lösung des Atomstreits mit dem Iran gerungen. Eigentlich wollten die Außenminister der USA und des Iran gestern abreisen, um sich in ihren Hauptstädten neue Instruktionen zu holen. Nun sind sie doch in Wien geblieben und haben weiter verhandelt. Für den Iran steht viel auf dem Spiel. Das Land leidet seit Jahren unter den Wirtschafts-Sanktionen, die Menschen beobachten die Verhandlungen mit großer Spannung.

Familie in Iran auf einer Straße

EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Morgenjournal, 22.11.2014

Aus Teheran,

Es ist ein Tauziehen auf höchster diplomatischer Ebene in Wien: Bei den Atomverhandlungen mit dem Iran ist in die Nacht hinein verhandelt worden - US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Jawad Zarif haben Reisen nach Paris bzw. Teheran verschoben. Noch ist aber unklar, ob der Iran für die Aufhebung der Sanktionen bereit ist, glaubhaft auf militärische Aspekte seines umstrittenen Atomprogramms zu verzichten.

Für den Iran steht viel auf dem Spiel. Das seit Jahren durch Sanktionen isolierte Land beobachtet deshalb die Verhandlungen mit großer Spannung. In der iranischen Führung gibt es ein heftiges Tauziehen zwischen Konservativen und Reformern. Und der Abschluss eines Abkommens mit dem Westen hätte direkte Auswirkungen auf die Machtverhältnisse im Land.

Informationen aus dem Westen

Was bei den Atomverhandlungen in Wien vor sich geht, das versuchen die meisten Iraner aus westlichen Quellen zu erfahren, wie dem persischen Dienst der BBC. Denn die iranischen Medien sind selbst Teil eines Machtkampfes zwischen Konservativen und Reformern. Je nach der jeweiligen Interessenslage werden die Differenzen zwischen dem Iran und dem Westen betont oder heruntergespielt: Der Konflikt über das Atomprogramm wurde von konservativen Hardlinern in den letzten zehn Jahren manipuliert, als Werkzeug benützt, sagt der Politologe Sadegh Zibakalaam. Es war Teil unseres glorreichen Widerstandes gegen den Westen. Wenn wir jetzt ein Abkommen mit dem Westen erreichen, dann können die Konservativen dieses Thema nicht mehr als Waffe nach innen einsetzen.

Morgen wollen die Basij-Milizen, ein Stoßtrupp der Konservativen, gegen eine Kürzung des iranischen Atomprogramms demonstrieren. Das wird von der Reformseite als positives Zeichen gewertet. Denn es könnte bedeuten, dass die iranische Führung zu Abstrichen bei der Uran-Anreicherung bereit wäre.

Doch Schlussfolgerungen wie diese sind natürlich reine Spekulation. Und kommen dem Wunsch vieler Iraner entgegen, die lieber heute als morgen das Ende der Wirtschaftssanktionen sehen würden: Wir hoffen auf jeden Fall dass diese Verhandlungen erfolgreich sind, ist ein Satz den man hier von vielen Iranern immer wieder hört. Wir wollen ein besseres Leben haben und gute Beziehungen zu den USA und zu allen anderen Staaten.

Von der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen erhoffen sich viele Iraner Erleichterungen im Alltag, aber auch mehr Freiheit. Auch wenn eine solche politische Öffnung, nach Auffassung des Politologen Sadegh Zibakalaam, noch auf viele Widerstände stoßen wird: Sollten wir nächste Woche in Wien ein Abkommen abschließen, heißt das für mich noch nicht, dass im Iran das Paradies ausbrechen wird. Ich bin sicher dass es mehr Demokratie bedeuten würde – allerdings erst in weiter Zukunft.

Doch so wie es zur Zeit aussieht, wird es nicht so bald ein Atomabkommen geben. Um bei der Zahl der Uran-Zentrifugen nachgeben zu können, brauchen die iranischen Verhandler die Zusicherung, dass der Abbau der Wirtschaftssanktionen sofort beginnt. Notfalls durch einen Alleingang von Präsident Obama. Denn der könnte einen Teil der Strafmaßnahmen auch ohne Zustimmung des Kongresses zumindest einmal einfrieren, meint man im Iran.