Werkschau der Kinks

Viel Wirbel wurde nicht gemacht - die neue Kinks-Werkschau "Anthology" schlitterte eher auf den Markt, als dass sie einschlug. Vielleicht auch, weil es schon bisher keinen Mangel an Kinks-Sammlungen gibt. "Anthology" zeigt die Blütephase des Songwriters Ray Davies, der in den Jahren 1964 bis 1971 Songperle an Songperle reihte.

In Kürze veröffentlichen die Kinks weitere Vinyl-Reissues ihrer Alben. In London läuft gerade sehr erfolgreich das Musical "Waterloo Sunset" und die Spekulationen um eine Wiedervereinigung der Band gehen munter weiter.

Kulturjournal, 12.01.2015

Raymond Douglas Davies ist keiner von der geradlinigen, vorhersehbaren Sorte. Künstler wollte er eigentlich werden und nicht Popstar. Auch mit 70 Jahren passt noch längst nicht alles zusammen - Alter und Lebensgeist etwa. Die neu erschienene "Anthology" ist für Davies ein Kaleidoskop des Lebens in den 1960ern in London. Ein akustisches Lesebuch, dessen Themen wie Isolation aber immer noch aktuell wären.

Heute blickt Davies nüchtern auf die gern verklärten Swinging Sixties zurück. Überschätzt sei die Ära, obwohl es einen kurzen Moment gab, als tatsächlich viel möglich schien. Der Working-Class-Songwriter Ray Davies setzte die rosarote Hippie-Brille gleich gar nicht auf und sah, dass die Steuern stiegen und die Immigration zu Spannungen führte. Als Gegenpol zu den gängigen Technicolor-Träumereien schrieb er nachdenkliche Songs wie "Dead End Street".

Während die anderen über "Satisfaction" oder gelbe U-Boote sangen, versanken die Kinks immer wieder gern in traurigen Sonnenuntergängen oder hingen vergilbten Erinnerungen an das untergegangene britische Empire. Und die Band verstand es, regelmäßig von der Erfolgsspur abzubiegen. Während Lennon, McCartney, Jagger und Richards die USA eroberten schob Jungvater Ray Davies einen Kinderwagen durch Londons Parkanlagen. Das passte weder seinem Bruder, dem Gitarristen Dave Davies, noch den Managern, die ihn lieber auf Parties mit den Beatles gesehen hätten.

1966 wird England Fußball-Weltmeister und Ray Davies schreibt den Soundtrack des Sommers. Doch so verträumt glücklich "Waterloo Sunset" klingt, Davies ist auch darin der beobachtende Außenseiter. Ganz hat er die Hoffnung auf eine Reunion der Kinks noch nicht aufgegeben. Er wolle unbedingt wieder mit seinem Bruder Dave spielen. Die aktuelle Trennung fühle sich an wie eine Scheidung. Ray Davies bleibt ein komplexer Charakter. Einer der weiterhin unterwegs sein und Fragen stellen muss.

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