Die "Café Sonntag"-Glosse von Franz Schuh

Es gibt einen Mann, der seinen Lebensunterhalt als Apotheker verdient, der aber auch bei einer in Österreich weltberühmten Faschingsveranstaltung als "Der Apotheker" auftritt. "Der Apotheker" hat in diesem Jahr folgenden Gag gemacht: "Was heißt auf Russisch", fragte er sein Publikum: "Ich möchte einen Truthahn stehlen?", und er gab die Antwort darauf: "Wladimir Putin".

Da gibt es tausende von Apothekern in Österreich, die ihre Arbeit tun und die zum sogenannten "Humor" höchsten ein Privatverhältnis haben, und ausgerechnet durch einen, der die ganze Berufsgruppe für sich beansprucht, kommt ein Apothekerhumor ans Tageslicht, der einen zittern lässt. Dass dieser Apotheker aus der Tatsache, dass er nicht Russisch kann, einen Witz machen will, ist symptomatisch. Ebenso symptomatisch ist, dass der Witz seinen Bart aus der Zeit hat, da Wladimir Putin in der ehemaligen DDR für den Geheimdienst arbeitete.

Der politische Horizont des österreichischen Mittelstands, einer ebenso auftrumpfenden wie ohnmächtigen Fraktion der Gesellschaft, scheint sich auf Namenswitze zu beschränken - ein Gebiet, auf dem einst Goebbels der alte Meister war und auf dem sich auch Jörg Haider übte, zum Beispiel mit dem Satz über Ariel Muzicant, den seinerzeitigen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde. Haiders Satz lautete: "Ich verstehe überhaupt nicht, wie - wenn einer Ariel heißt - so viel Dreck am Stecken haben kann."

Das sind Ausformungen einer Humorigkeit, durch die man die Leute, die sowas lustig finden, sofort einordnen kann. Es ist wie ein Etikett, wie ein Stigma, das sie sich selbst aufs Hirn picken. Im Zusammenhang mit der feierlichen Berichterstattung über den Putin-Witz des Apothekers fiel im Fernsehen auch das Diktum, "der Humor gehöre zum Leben" - eine wahrhaft gefährliche Drohung.

Dem Komischen haftet seit uralten Zeiten (ja, heute schon viel weniger) der Geruch des schlechten Geschmacks und der moralischen Minderwertigkeit an. 335 vor Christi schrieb Philosoph Aristoteles der Komödie das Unedle zu, während die Tragödie den edlen Helden gepachtet hat. Josef Hader als Held seiner Texte, als Bühnenfigur, ist nicht edel, er hat was Gemeines. Wenn zum Beispiel seine Freundin ihm dafür dankt, dass er "so offen und ehrlich" zu ihr spricht, antwortet er ihr: "Zu dir bin i ehrlich, denn du bist ma wurscht!"

Die Komödie gilt im Vergleich zur Tragödie wahrscheinlich immer noch als oberflächlich, bei feinen Leuten vielleicht auch als ordinär. Während die Massenkultur die in Massen auftretenden Comedians feiert (sie also über-schätzt), tun sich die Reste der alten Hochkultur schwer, die Komik ebenso hochzuhalten wie die eingespielten Trauerspiele. Man kann es verstehen, weil der Komiker immer auf Lacher spekuliert, also sehr auf Wirkung bedacht ist. Der Wuchteldrucker ist etwas anderes als die Bühnengröße, die Sein oder Nicht-Sein deklamiert.

Aber große Komiker wie Karl Valentin oder Mister Bean, wie Charlie Chaplin, Josef Hader oder Laurel und Hardy, wie Hans Moser oder Louis de Funes haben gezeigt, dass es in ihrer Kunst eigentlich auch nur um Sein oder Nicht-Sein geht, also darum, wie man hin und her stolpert, während man von einem zum anderen möchte, oder auch: dem einen oder dem anderen entgehen möchte.