Flüchtlinge in Kiew: Hoffnung auf Neustart

Der Krieg in der Ostukraine droht neuerlich zu eskalieren. Offiziell sind bereits 1,2 Millionen Flüchtlinge registriert. Die ukrainische Caritas befürchtet aber, dass doppelt so viele auf der Flucht sind. Offiziell leben rund 70.000 Vertriebene in der ukrainischen Hauptstadt Kiew - teils zusammengepfercht in kleinen Zimmern.

Morgenjournal, 24.1.2015

Flüchtlinge sind traumatisiert

Mit Luftballons spielen drei Kinder aus Donezk in der neuen Startwohnung der Caritas in Kiew. Kinder, deren Zukunftsperspektiven Ende August wie Luftballons zerplatzt sind, als die Kämpfe in Donezk eskaliert sind. Die Familie flüchtet und gerät zwischen den Kontrollposten der Separatisten und der ukrainischen Armee unter Feuer: "Wir waren mit einem Kleinbus unterwegs. Die Separatisten, die Terroristen, haben uns nach einiger Zeit passieren lassen. Dann haben sie über unseren Bus hinweg den ukrainischen Kontrollposten beschossen. Sie haben uns als Schutzschild verwendet. Der Bus hat gewackelt und ist ins Schlingern gekommen", erzählen Rafael, der Vater der Kinder, und seine Frau Jelena.

Schock und Trauma sind die Folgen des Erlebten. Die Kinder schlafen schlecht, sind oft unruhig. In der von der österreichischen Caritas finanzierten geräumigen Startwohnung in Kiew sollen nun drei Familien unterkommen. Mehrere ukrainische Kamerateams und Fotografen sind da, als sie eröffnet wird.

Hoffnung auf Neustart

In Kiew leben offiziell 70.000 Vertriebene, aber Sozialstadträtin Anna Starostenko erklärt: "Das ist zum ersten Mal in Kiew, dass wir eine Gemeinschaftswohnung mit der Hilfe von einer internationalen Organisation eröffnen - für Familien, die aus den Kriegsregionen nach Kiew gezogen sind und jetzt in sehr schweren Lebensumständen leben."

So wie die zweifache Mutter Anna, die auf einen Platz in der Startwohnung hofft. Derzeit wohnt ihre vierköpfige Familie in einem winzigen Zimmer, wo kaum genug Platz ist, dass die Kinder ihre Hausaufgaben machen können: "Wir haben zu viert ein acht Quadratmeter-Zimmer in einem Flüchtlingsheim bekommen. Und es gibt für 20 solche Zimmer nur eine Küche und eine Toilette."

"Zeitkredit für ein neues Leben"

Die Startwohnung soll den Kindern einen dauerhaften Schulbesuch ermöglichen und den Eltern die Zeit, einen Arbeitsplatz zu finden, erklärt Caritas-Präsident Michael Landau gegenüber den Medienvertretern. Die Wohnung "garantiert Stabilität, die die Familien wirklich brauchen." Die Familien bleiben ein Jahr in der Wohnung, so Landau. Das Ziel sei es, dass sie ihr Leben reorganisieren können.

Jelena, die Mutter der drei Kinder mit den Luftballons, meint: "Das ist wie ein Zeitkredit, um ein neues Leben aufzubauen." Und Jelenas 18-jährige Tochter Sophie sagt: "Das vergangene Jahr hat mich völlig verändert. Ich hatte noch nie so Angst gehabt. Aber es gab auch helle Momente. Ich habe wirklich großzügige, liebe und hilfreiche Menschen kennengelernt."

Auf ihrer Zwischenstation in der von den Ukrainern zurückeroberten Stadt Slawjansk etwa ist die Familie gratis in einer Privatwohnung untergekommen - wie tausende andere Flüchtlingsfamilien auch. Die Wohnung war zwar durch einen Granateneinschlag beschädigt. Vater Raphael meint aber, so etwas müsse man in Kauf nehmen, so sei das leider im Krieg.