Kosovarische Kunst in Venedig

Seit 2013 ist die junge Republik Kosovo, die 2008 ihre Unabhängigkeit erklärte, mit einem eigenen Pavillon bei der Biennale in Venedig vertreten. In diesem Jahr wird die 33-jährige Künstlerin Flaka Haliti ihr Heimatland vertreten.

Flaka Haliti

ORF, Christine Scheucher

Als Kurator hat sie sich einen Kunstvermittler ausgesucht, der bereits über einige Erfahrung in Venedig verfügt: Kunsthallendirektor Nicolaus Schafhausen.

Kulturjournal, 26.01.2015

Der Kosovo ist nicht nur die jüngste unabhängige Republik Europas, er hat auch die jüngste Bevölkerung. Mehr als die Hälfte der Kosovaren ist jünger als 25 Jahre. Da erscheint es nur konsequent, dass viele junge Menschen im Kosovo - zumindest im Kulturbereich -verantwortungsvolle Positionen bekleiden. Die Kulturreferentin der Hauptstadt Pristina ist gerade einmal 29 Jahre alt, 2012 war der 33-jährige Architekt Bekim Ramku als Kommissär für den Kosovo-Pavillon auf der Architektur-Biennale verantwortlich, und in diesem Jahr wird mit der 33-jährigen Künstlerin Flaka Haliti wieder eine junge Position im Kosovo-Pavillon der Kunst-Biennale zu sehen sein.

Für Flaka Halitis künstlerische Laufbahn bedeutet die Teilnahme bei der Biennale viel. Doch auch für ihr Land sei die Teilnahme wichtig. "Es bedeutet schon auf einer symbolischen Ebene sehr viel, wenn der Kosovo, der um seine Unabhängigkeit gekämpft hat, bei einer internationalen Großveranstaltung wie der Biennale als unabhängiges Land dabei ist. Außerdem bietet die Biennale eine Möglichkeit, das Image des Kosovo zu verändern. Wir wollen mit unserem Beitrag eine Vision entwerfen und uns fragen, wie der Kosovo in Zukunft aussehen könnte", so die Künstlerin Flaka Haliti.

Zwischen kulturellen Grenzen

Ganz unbekannt ist Flaka Haliti freilich nicht. 2013 erhielt sie den Henckel Art.Award, der an Künstler und Künstlerinnen in Zentral- und Osteuropa vergeben wird. Im vergangenen Jahr war ihre Einzelausstellung "I See a Face - Do You See a Face" im Wiener MUMOK zu sehen. Wie viele Kosovo-Albaner und -Albanerinnen ihrer Generation lebt Flaka Haliti zwischen den Kulturen. Sie ist im Kosovo, damals noch Teil Jugoslawiens aufgewachsen, musste mit 17 Jahren vor serbischen Truppen nach Mazedonien fliehen. Heute pendelt Flaka Haliti zwischen München, Wien und Pristina. Das sei typisch für viele ihrer Altersgenossen und -genossinnen, sagt Kunsthallen-Direktor Nicolaus Schafhausen.

"Flaka Haliti ist ein zeitgenössisches Beispiel einer Künstlerin, die in einem internationalen Kontext verortet werden muss. Sie fühlt sich als Kosovo-Albanerin, lebt aber in Deutschland. Sie ist europäisch verortet. Sie repräsentiert ein Lebensmodell eines jungen Menschen, der Permanent über kulturelle Grenzen und religiöse Kontexte springt", so Kunsthallendirektor Nicolaus Schafhausen, der in diesem Jahr auf Wunsch Flaka Halitis den Kosovo-Beitrag bei der Kunstbiennale kuratieren wird.

Inhaltlich wird sich Flaka Haliti, die mit verschiedenen Medien arbeitet und häufig raumgreifende Installationen entwirft, mit dem Thema der Grenzziehung auseinandersetzen. Aktuell zeigt sie in Pristina im Kunstraum LamdaLamdaLamda, der übrigens erst unlängst von den beiden Österreicherinnen Katharina Schendl und Isabella Ritter eröffnet worden ist, eine Ausstellung, die sich mit der Bauform des Zaunes auseinandersetzt.

Zäune als Symbol des Postkommunismus

"Ich arbeite gerade an einem Projekt, das sich mit speziellen Zäunen auseinandersetzt und zwar mit alten Zäunen, die es hier in Pristina gab und die mittlerweile fast verschwunden sind. Ich mag die Form dieser Zäune. Die neuen Zäune, die nach dem Krieg in Pristina gebaut worden sind, sind nicht so schön. Sie sind kitschiger und vor allem viel höher. Ich habe mich gefragt, was es bedeutet, wenn Zäune plötzlich höher sind und ich frage mich, wie diese Grenzziehung das Miteinander der Gemeinschaft beeinflusst", sagt Flaka Haliti.

Wie in vielen postkommunistischen Ländern erlebte auch der Kosovo nach dem Krieg eine zügige Privatisierungs- und Liberalisierungswelle. Bis heute sieht man in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, die Nebenwirkungen dieser turbokapitalistischen Modernisierung. Nach dem Krieg 1999 setzte in Pristina ein wahrer Bauboom ein, die Bevölkerungszahl verdoppelte sich binnen weniger Jahre.

Kleine Häuslbauer, aber auch große Investor ignorierten Regeln der Bauordnung oder Flächenwidmung weitgehend. Das Ergebnis ist ein urbanistisches Chaos, das heute internationale Architekturdelegationen nach Pristina lockt. Der Zaun ist für Flaka Haliti ein Symbol für den illegalen Bauboom, der das Gesicht ihrer Heimatstadt in wenigen Jahren völlig verändert hat. Der Zaun, mit dessen Hilfe das Privateigentum eingegrenzt wird, steht aber natürlich auch für die Privatisierungswelle im postkommunistischen Kosovo.

Flaka Haliti hat Zäune in ihrer Heimatstadt fotografiert und die Muster und Formen dieser Zäune auf Aluminiumplatten gedruckt, ein Material, das den grafisch anmutenden Mustern räumliche Tiefe verleiht, da sich der Betrachter darin spiegelt und gleichsam zum Gefangenen hinter dem Zaun wird. "In meiner Kindheit hatten 70 Prozent der Haushalte gar keinen Zaun. Es gab zwar auch damals hin und wieder Einbrüche, aber trotzdem haben die Leute keine Zäune hochgezogen. Nach dem Krieg wurde Pristina von einem Bauboom erfasst. Die Leute vermieteten Wohnräume an Mitarbeiter der Vereinten Nationen, sie bauten ihre Häuser um und aus. Mit neu gebauten Zäunen markierten die Vermieter ihr Territorium", sagt Flaka Haliti.

Auch in Venedig soll das Thema der Grenzziehung in den Blick genommen werden. Was genau das Team Nicolaus Schafhausen und Flaka Haliti plant, wurde noch nicht verraten. Schafhausen, der 2007 und 2009 den Deutschen Pavillon kuratiert hat, wird sich diesmal mit bescheideneren Mitteln zufrieden geben müssen. 120.000 Euro beträgt das Biennale-Budget der jungen Republik Kosovo. Doch Nicolaus Schafhausen, der dafür bekannt ist, in der internationalen Kunstszene gut vernetzt zu sein, will auch in Deutschland um finanzielle Unterstützung werben.

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