"Alltag und Ekstase" im Theater Drachengasse

8. April 2017, 21:58

Keine Tabus, keine Pflichten, kein spießiger Moralkodex. Katja hat mit ihrem Exfreund Janne manchmal noch Sex und verlangt von ihm, seinen Rhythmus beim Geschlechtsakt zu optimieren. Jannes Mutter hat sich von ihren Pflichten und Freuden als Oma um 30.000 Euro losgekauft. Man besucht Gesprächstherapien, geht auf Ich-Suche, lässt alles zu. Janne, Hauptfigur des Stücks "Alltag und Ekstase", hat zwar die Weltoffenheit seiner Eltern mit der Muttermilch aufgesogen, ist aber trotzdem überfordert. Was ihm genau fehlt, führt ihm Takeshi vor Augen: Der junge japanische Geliebte seines Vaters ist Experte für deutsches Brauchtum und will, dass ihn Janne auf einen Karneval begleitet.

Ich-Findung und Selbstoptimierung lauten die Neurosen einer Gesellschaft, die sich scheinbar von allen Zwängen befreit hat. Sie sind Thema im Stück "Alltag und Ekstase", das die Autorin Rebekka Kricheldorf selbst als "Sittenbild" bezeichnet. Sie hat nachgeforscht und entdeckt, dass es keine Kultur ohne Ekstasetechniken gebe. Diese werden in traditionellen Stammesgesellschaften als Rituale gepflegt. In der modernen Welt hingegen, die sich von ihrer kollektiven Moral befreit hat, ist auch der Rausch eine individuelle Angelegenheit geworden. Diverse Massenveranstaltungen sorgen dagegen für Nasenrümpfen.

Rebekka Kricheldorf demaskiert in ihrem Stück die Sprachcodes einer Gesellschaft, die sich selbst als modern sieht. Takeshi, der frisch angereiste junge Japaner, kann mit den Worthülsen ebenso wenig anfangen wie mit der wenig höflichen Art, in der seine Gastgeber kommunizieren. Diesen in der Sprache liegenden Witz wolle sie nun auch auf die Bühne bringen, sagt Regisseurin Sandra Schüddekopf.

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