Die "Café Sonntag"-Glosse von Franz Schuh

Die Universität

Die Universität, ach die Universität! Sie gehört zu den vielen Institutionen in dieser Gesellschaft, bei denen Ideal und Wirklichkeit auseinanderklaffen.

Der Witz ist, dass man das Ideal, selbst wenn es ganz außer Kraft wäre, nicht aufgeben, nicht einfach dispensieren darf. Das Ideal enthält nämlich Zielvorstellungen, kontrollierende Programme. Außerdem kann man als Idealist traurig darüber sein, wenn die Abweichungen vom Programm die Regel geworden sind. Das ist das emotionale Angebot: die Trauer über einen Zustand, die Anteilnahme am Schicksal einer klassischen Institution.

Moralisch gesehen ist das Ideal das schlechte Gewissen der Wirklichkeit. Die soziale Wirklichkeit kennt sozusagen nix, und wenn von der in Österreich idealerweise geplanten Hochschulmilliarde real 615 Millionen übrig blieben, wär's ja nicht nix, aber wenn von diesen 615 Millionen die bei den Ärzten neuerdings entstandenen Mehrkosten beglichen werden sollen, dann muss der Chef der Rektorenkonferenz mitteilen, dass man halt Studienrichtungen einstellen wird, bei denen die Nachfrage gering ist.

Wen stört's?

Na ja, mich stört die Defensive, in die die Universitäten geraten sind. Der Chef der Rektorenkonferenz erscheint nicht strahlend in der Öffentlichkeit, um davon zu künden, welche neuen Wissensgebiete unsere Universitäten demnächst erschließen werden, sondern er muss, mit Realitätssinn ausgestattet, alle damit beruhigen, dass er die Institution eh um ein paar morsche Glieder amputieren wird.

Und schon ist das blöde Wort wieder im Umlauf, das Wort von den Orchideenfächern. Ich kenne einen Diplomingenieur, der von einer so genannten "Bildungsmafia" geifert, die zugunsten der Orchideenfächer es verhindert, dass 'ne ordentliche Berufsausbildung die Universitäten stramm strukturiert. Aber das ist eben ein universitäres Ideal, dass nichts zu klein, zu unbedeutend sein kann, um nicht erforscht und gelehrt zu werden.

Ohne Zweifel gibt es einen Akademisierungswahn, also die Vorstellung, es sei besser studiert zu haben, als einen nicht-akademischen Beruf zu ergreifen. Gleichzeitig mit dieser Ideologie passiert ein Verfall: Zum Beispiel müssen akademisch ausgebildete Architekten, weil’s keine Jobs gibt, als technische Zeichner arbeiten. Dadurch aber ruinieren sie den Beruf des technischen Zeichners.

Das hat in der Ö1 Sendung "Von Tag zu Tag" ein deutscher Intellektueller, Nida Rümelin, gesagt. Aber eines vor allem ist mir von dieser Sendung in Erinnerung geblieben. Nida Rümelin sagte auch: Wenn ein Mensch sich sicher ist, ein bestimmtes Studium und kein anderes sei das Seine, dann soll er es unbedingt studieren, und - keine Sorge - es würde sich daraus auch ein Beruf ergeben. Ja, was soll Nida Rümelin auch sonst sagen - hat er doch selber, gewiss mit heißem Bemühen, das prächtigste aller Orchideenfächer, die Philosophie studiert.