Hermann Nitsch im Wiener Theatermuseum

Sechs Tage und Nächte dauert das "Orgien-Mysterien-Theater" von Hermann Nitsch. Es ist zugleich Konzert und Theater, Malaktion und Weinverkostung und dabei ein stetes Ausloten von körperlichen und existenziellen Grenzen. "Existenzfest. Hermann Nitsch und das Theater" heißt daher auch die aktuelle Ausstellung im Wiener Theatermuseum, die dem Gesamtwerk des Künstlers gewidmet ist.

Nitsch-Bild, Ausstellungsansicht

THEATERMUSEUM

Gezeigt werden Fotos und Videos seiner Ereignisse und Aktionen, aber auch Manuskripte und Partituren, Bilder und Kostüme, die einen Einblick in das Denken und Schaffen von Hermann Nitsch gewähren.

Kulturjournal, 25.03.2015

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Theatermuseum - ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater

Blut und nackte Körper

Gleich beim Eingang eine dezente Hinweistafel: "Kindern und Jugendlichen wird empfohlen, die Ausstellung nur in Begleitung Erwachsener zu besuchen." Es könnte also blutrünstig werden. Und tatsächlich, schon beim Betreten des abgedunkelten Ausstellungsraums strömt es dem Besucher förmlich entgegen. Hinter dem Blut und der Ölfarbe steht für Hermann Nitsch ein wesentliches Prinzip: die Farbe als Substanz zu begreifen, die als Paste oder Flüssigkeit verwendet wird.

Auf drei überdimensionalen Leinwänden laufen Szenen aus seinen Aktionen ab: Ein Mann wird mit verbundenen Augen an einem Holzkreuz befestigen. Hermann Nitsch und seine Helfer flößen ihm Blut ein, das dann dunkelrot und zähflüssig wieder aus seinem Mund rinnt und sich über den nackten Körper ergießt. Daneben ein Bild des jungen Nitsch, wie er den blutüberströmten Körper eines nackten Kalbes bearbeitet. Tod und Tragik als zentrale Themen.

Ursprung in der Lyrik

Wendet man dem Blick ab von den zum Teil ohnehin gut bekannten Bildern und Filmen, kommt ein anderer, ein poetischer Nitsch zum Vorschein, sagt Kurator Hubert Klocker. Einer, der sich schon früh für Lyrik begeisterte und die Wurzeln seines Theaters ebenfalls in der Lyrik sieht.

In seinen frühen Texten versuchte er, die Geräusche und Gerüche aus Texten von Hölderlin oder Trakl einzubringen, spätere Partituren des OM-Theaters sind Bildkompositionen aus geschriebenem Text, Skizzen und Zeichnungen, die der Musik und den Kostümen ebenso viel Gewicht verleihen wie den Gerüchen und dem Geschmack.

Großen Einfluss auf sein OM-Theater übten auch die ideellen Güter der abendländischen Kunst- und Kulturgeschichte aus - von der griechischen Tragödie bis zu Richard Wagner, wie die Ausstellung zeigt. Daneben kommt Nitsch immer wieder auf archetypische Symbole zurück, die er ins Zentrum seiner Inszenierungen stellt, sagt Kurator Hubert Klocker.

Original Skizzen und Aufzeichnungen ausgesellt

Neben Bildern, Fotografien und Videos zeigt die Ausstellung erstmals auch handschriftliche Aufzeichnungen von Nitsch seit den 1950er Jahren. Es sind eng beschriebene Notizbuchseiten, auf denen er mit Kugelschreiber, Filz- und Lippenstift seine Inszenierungsideen festhielt und daneben gleich die Skizzen für Kostüme und Bühnenbild mitlieferte. Umsetzen konnte er sie nicht nur im Orgien-Mysterien-Theater, sondern mehrmals auch auf großen Opernbühnen.

Prinzendorf und die Staatsoper

1995 trat der damalige Staatsoperndirektor Ioan Holender an Nitsch heran und engagierte ihn als Ausstatter und Co-Regisseur für Jules Massenets Oper "Hérodiade". Nitsch lieferte ein eindrucksvolles Gesamtkonzept mit kräftigen Farben und symbolträchtigen Bildern, wie zum Beispiel auch 2005 bei Strawinskis "Le Renard" oder zuletzt bei Messiaens "St. Francois d'Assise". Neben Originalkostümen und Entwürfen sind in der Ausstellung Videos der Inszenierungen zu sehen.

Die Bühne seines Theaters, der Schauplatz seiner Gesamtkunstwerke ist seit 1971 das niederösterreichische Schloss Prinzendorf, wo die tage- und nächtelangen Aufführungen unter Einbeziehung aller Kunstformen zelebriert werden. Hermann Nitsch selbst steht im Zentrum seiner Aktionen, er komponiert und dirigiert, lenkt und gibt Anweisungen. Schon plant er sein nächstes 6-Tages-Spiel. Zum Eröffnungsfest der Ausstellung heute Abend wird übrigens Wein aus Prinzendorf gereicht.

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