Nazi-Kriegsverbrecherprozess in Lüneburg

70 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs beginnt heute ein historischer Prozess in Lüneburg. Eine der voraussichtlich letzten großen Gerichts-Verhandlungen, in dem sich die deutsche Justiz mit den Gräueltaten im Konzentrationslager Auschwitz beschäftigt.

Morgenjournal, 21.4.2015

Aus Deutschland,

Dem Angeklagten Oskar Gröning wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen, in mindestens 300.000 Fällen. Der ehemalige Unterscharführer der SS wird auch als "Buchhalter von Auschwitz" bezeichnet und soll als solcher zum Funktionieren der Mord-Maschine in Auschwitz beigetragen haben. Sein Anwalt wertet den Dienst seines Mandanten in Auschwitz nicht als Beihilfe zum Mord.

Es ist möglicherweise der letzte große Prozess wegen der Nazi-Gräueltaten im Konzentrations-Lager Ausschwitz. Denn der angeklagte frühere Angehörige der Waffen-SS ist jetzt 93 Jahre alt. Oskar Gröning wird Beihilfe zum Mord zur Last gelegt in mindestens 300.000 Fällen. Oskar Gröning will sich vor dem Prozess nicht äußern, hat aber vor Jahren in einem Interview gesagt: „ich war ein Rädchen in dem großen Getriebe. Sicherlich wussten wir, dass die Dinge, die dort abgelaufen waren, nicht unbedingt mit den Menschenrechten in Einklang standen“.

Sein Verteidiger sagt, dem Angeklagten sei zugutezuhalten, dass er in früheren Verfahren gegen andere SS-Männer ausgesagt habe. Der Anwalt verweist auch auf drei Versetzungs-Anträge, die sein Mandant während der Zeit in Auschwitz gestellt habe. Und er habe moralische Skrupel gehabt, wie aus seinen Aufzeichnungen und späteren Aussagen hervorgehe. Aber Oskar Gröning hat trotzdem mitgemacht. Und da setzt die Anklage an. Denn seit einigen Jahren besteht die Justiz nicht mehr darauf, dass der Angeklagte selbst gemordet hat.

Seit dem Fall von John Demjanjuk, Wachmann im Vernichtungslager Sobibor genügt es, wenn dieser das systematische Tötungs-Geschehen unterstützt und sich damit mitschuldig gemacht hat, sagt der Anwalt und Nebenkläger Thomas Walther.

In der Anklage geht es um die sogenannte Ungarn-Aktion im Sommer 1944. Damals wurden mindestens 300.000 Juden in den Gaskammern von Auschwitz getötet. Oskar Gröning soll dabei geholfen haben, das Gepäck der ankommenden Häftlinge beiseite zu schaffen, nach Schmuck und Geld zu durchsuchen. Deshalb wird er auch als "Buchhalter von Auschwitz" bezeichnet. Eine der Überlebenden von Auschwitz ist die Budapesterin Eva Pusztai-Fahidi: sie waren alle Mittäter. Sie alle haben dazu geholfen, damit die Mordmaschinerie reibungslos läuft.

Bei einer Verurteilung droht Oskar Gröning eine Haftstrafe von mindestens drei Jahren. Mit ihm angeklagt sind noch zwei weitere ehemalige SS-Männer. Ein Urteil soll Ende Juni fallen.