Ärztearbeitszeit: Auswirkung auf Krebspatienten

Das neue Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte bekommen auch krebskranke Menschen in Österreich zu spüren. Maximal 48 Stunden Wochenarbeitszeit bedeuten, dass Ärzte nach einem Nachtdienst heimgehen müssen und in den Krebszentren tagsüber ausfallen. Bei der Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie spricht man davon, dass am Tag somit um ein Fünftel weniger Ärzte im Einsatz sind.

Morgenjournal, 25.4.2015

"Beginn einer Spirale nach unten"

In den Krebszentren stehen nun weniger Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung, sagt Hellmut Samonigg, Präsident der Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Errechnet vor: Drei Nachtdienste im Monat, nach denen man nun heimgehen muss und nicht mit der Tagesarbeit weitermachen kann, bedeuten 36 Tage weniger im Jahr. Das ergebe ein Minus von 20 Prozent: "Es ist eine Illusion zu glauben, das geht völlig ohne Auswirkungen. Das kann es nicht geben. Wir glauben, dass es der Beginn einer Spirale nach unten ist."

Diese Entwicklung kann längere Wartezeiten bedeuten oder die Tatsache, dass man nicht kontinuierlich von bestimmten Medizinern betreut werden kann. Damit sei man verstärkt auf dem Weg in die Zweiklassenmedizin, weil man Leistungen nur oder schneller bekommt, wenn man es sich leisten kann.

"Vier bis sechs Jahre" für neu ausgebildete Ärzte

Eine gewisse Abfederung ist die Tatsache, dass längere Arbeitszeiten möglich sind, wenn sie freiwillig geleistet werden. Das ist die "Opt-Out-Möglichkeit", die aber in Österreich nur mehr bis 2021 möglich ist. Da ist man strenger als in anderen EU-Ländern: "Es gibt Experten, die sagen, wir haben das strengste Arbeitsschutzgesetz für Ärzte im Vergleich zu allen anderen EU-Ländern. Das mag auf der einen Seite natürlich gut sein, aber die Auswirkungen auf die Patientenversorgung sind mit Sicherheit gravierender als in anderen Ländern", sagt Hellmut Samonigg.

In Österreich leben mehr als 300.000 Menschen mit der Diagnose Krebs. Sie werden meist in Zentren in Spitälern behandelt. Das neue Arbeitszeitgesetz bedeutet, dass es weniger Ressourcen und weniger Qualität geben wird, so der Präsident der Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Das Problem sei mit zusätzlichem Personal nicht so einfach zu lösen: "Wir müssen diese Ärzte ja ausbilden. Um die Expertise zu haben, die uns jetzt am Tag teilweise abgeht, brauchen Sie vier bis sechs Jahre."

"Lösungsorientiert" arbeiten

Organisatorische Änderungen seien notwendig und möglich, etwa wenn Pflegepersonal Aufgaben übernimmt oder wenn die Ausbildung geändert wird: "Aber in der Öffentlichkeit so zu tun, dass das keine Auswirkungen auf den Patienten hat, halte ich für nicht richtig."

Mit der Neuregelung der Arbeitszeiten werde es schwer, den fünften Platz, den Österreich derzeit im internationalen Vergleich noch hat, zu halten, sagt Hellmut Samonigg: "Deswegen wären alle Verantwortlichen aufgefordert, sich kreativ und positiv und nicht nur kritisierend, sondern lösungsorientiert zusammenzusetzen."

Das Ziel sollte bleiben, die Patientinnen und Patienten optimal zu betreuen und weltweit Platz 1 anzustreben.