Bundespräsident Fischer: "Flüchtlinge fair in der EU verteilen"

Österreich muss mehr in die Entwicklungszusammenarbeit investieren, das fordert Bundespräsident Heinz Fischer angesichts des Flüchtlingselends. Österreich und Europa haben eine riesige Verantwortung, so Fischer. Man müsse die Menschen überzeugen, dass das ein moralisches Problem sei. Die Flüchtlinge sollten gerechter in der EU verteilt werden.

Heinz Fischer

APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER

Mittagsjournal, 25.4.2015

Edgar Weinzettl im Gespräch mit Bundespräsident Heinz Fischer

"Man darf nicht wegschauen"

Die EU kommt offenbar nicht vom Fleck, was Maßnahmen betrifft, sagt Fischer im "Journal zu Gast". Das Flüchtlingsproblem sei so alt wie die Menschheit. "Wir feiern in diesen Tagen den 70. Geburtstag der Zweiten Republik. Damals waren mehr als eine Million Flüchtlinge und Heimatvertriebene in Österreich und wir sind unter den schwierigen Umständen des Jahres 1945 damit fertig geworden. Daher muss die Europäische Union als Ganzes dieses Problem akzeptieren", so der Bundespräsident.

Es müsse die Bereitschaft und die Kraft geben, eine faire Verteilung der Lasten vorzunehmen: "Momentan ist es so, dass von den 28 EU-Staaten zehn Staaten 90 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Ich will eine gerechtere Verteilung der Quote. Österreich liegt immerhin regelmäßig unter den Top 5, was die Pro-Kopf-Zahlen betrifft. Aber das ist natürlich nicht genug." So wie es bisher war, könne es nicht weitergehen.

Es braucht einen vielschichtigen Ansatz, sagt Fischer: "Die Verteilung der Flüchtlinge muss besser sein. Die Betreuung muss intensiviert werden. Die EU hat die finanziellen Mittel erhöht, aber da sind wir auch noch nicht an einem Endpunkt angelangt. Man darf einfach nicht wegschauen darf, sondern man muss hinschauen."

"Mehr Mittel für Entwicklungshilfe"

Schon länger in der Kritik steht das "Dublin-Abkommen" - die Grundlage für die europäische Asylpolitik. Es legt fest, dass Asylsuchende im ersten EU-Land, in das sie einreisen, ihren Antrag stellen müssen. Er habe das Abkommen nie als besonders gerecht empfunden, sagt Bundespräsident Heinz Fischer. Aber man müsse erst etwas Besseres finden. "Man muss mehr auf die wirtschaftliche Kraft eines Landes und auf die Bevölkerungszahl Rücksicht nehmen."

Fischer fordert die Bundesregierung erneut auf, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit aufzustocken. Österreich gibt bei der Entwicklungshilfe deutlich weniger aus als der Durchschnitt der Industrieländer. Derzeit sind es knapp 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das Ziel wären 0,7 Prozent. "Die Mittel müssen gesteigert werden. Die Bundesregierung hat sich das selbst als Ziel gesetzt und in Aussicht gestellt", so Fischer.

Armenien: "Türkei muss lernen, damit umzugehen"

Bundespräsident Fischer versteht die Aufregung der Türkei nicht, dass Länder wie Österreich oder Deutschland die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord bezeichnen. Die Türkei müsse langsam und schrittweise darauf vorbereitet sein und lernen, damit umzugehen. "Man muss diese dramatischen Ereignisse aus der Geschichte ins Auge fassen und versuchen, aufzuarbeiten. Und da kann man in der Wortwahl nicht so heftig reagieren, wie das die Türkei macht."

Die Erklärung des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck sei Millimeterarbeit in der Formulierung gewesen, so Fischer. Er habe sich die Erklärung sehr genau angeschaut: "Er (Gauck) hat nicht gesagt, das war Völkermord. Sondern er hat in einer Entschuldigung für die Mitverantwortung Deutschlands an den Ereignissen vor 100 Jahren das Wort Völkermord verwendet."

In Österreich haben die im Nationalrat vertretenen Parteien eine Erklärung unterzeichnet, in der das Massaker an den Armeniern als Völkermord anerkannt wird. "Damit ist das gesagt worden, was mit Recht von einem Parlament gesagt werden kann", so Bundespräsident Fischer. Dem müsse nichts hinzugefügt werden.