120 Jahre Biennale in Venedig

Die Kunstbiennale in Venedig wird am Samstag offiziell eröffnet. Bereits jetzt tummeln sich am Lido Tausende Journalisten und Journalistinnen aus aller Welt, um von der Mutter aller Biennalen zu berichten, einer Schau, die heuer ihr 120-jähriges Jubiläum feiert.

Mittagsjournal, 6.5.2015

Aus Venedig,

Künstlerischer Leiter ist der gebürtige Nigerianer Okwui Enwezor, der sich 2002 als Leiter der documenta in Kassel einen Namen machte und seit 2011 das Haus der Kunst in München leitet. Ab Samstag präsentieren 136 Teilnehmer in Venedig ihre Kunst in den Giardini und im Arsenale.

All the World's Futures

Revolutionslieder aus dem Kongo im belgischen Pavillon, ein zerstörtes Hitlergesicht im rumänischen Pavillon und ein nagelneuer ukrainischer Pavillon mit dem Titel "Hoffnung!" ganz prominent vorne an der Wasserfront. Diese Biennale gibt sich politisch: Der Titel "All the World's Futures" versucht die verschiedenen Gesichter der Zukunft von der Warte Afrikas, Asiens und Europas aus zu denken.

Schon mit seiner documenta 2002 revolutionierte Okwui Enwezor den Kunstbetrieb, als er durch die Einladung vieler Künstler aus Afrika, Asien und Lateinamerika einen Schlusspunkt unter die Fixiertheit auf den euroamerikanischen Zusammenhang setzte.

Im zentralen Pavillon in Venedig versucht er nun das "komplexe Phänomen der Globalisierung und ihre Bezüge zur Verwurzelung im Lokalen" darzustellen. Einfacher gesagt: Wie spiegelt sich das Globale im Kleinen wider? Er nimmt Karl Marx und dessen "Kapital" zu Hilfe, um das Chaos unserer Zeit zu analysieren.

Überall Lesungen aus "Das Kapital" - über Lautsprecher und live. Da erklärt etwa der Philosoph Peter Sloterdijk Karl Marx, leider wurde er mit seiner Videowand in einen kleinen Raum verbannt, in dem noch zwei andere Videos mit politischen Manifesten laufen. Das Resultat: ohrenbetäubender Krach, der das ehrgeizige Unterfangen, die Welt erklären zu wollen, zur Karikatur verkommen lässt.

Erfrischender ist da wohl das witzboldartige Agieren der Boygroup BGL aus Kanada, die vor dem Kanadischen Pavillon Geldmünzen mit großem Getöse von einem hochschaubahnartigen Gerüst hinunterlaufen lässt. Die Besucher können Münzen hineinwerfen, um den Kapitalismus am Laufen zu halten.

Während Fiona Hall im australischen Pavillon ein Gruselkabinett mit Jagdtrophäen und Totenköpfen eingerichtet hat, um zu sagen: "die Welt ist am Holzweg!", wird Olaf Nikolai am Dach des deutschen Pavillons eine Gruppe von Menschen einer rätselhaften Tätigkeit nachgehen lassen. Eine Art Schattenökonomie unter gleißender Sonne, nennt er das.

Ganz vorne präsentiert sich der neu errichtete ukrainische Pavillon komplett in Glas, um Transparenz und Weltoffenheit der Ukraine zu signalisieren. Der Titel "Hope!" zeigt: Wenn alle Welterklärungen und historische politische Strategien nichts nützen, ist die Hoffnung der einzige Lichtblick.