Die "Café Sonntag"-Glosse von Marc Carnal

Wenn das Fernsehen Autoren herzeigt

Zu bemerkenswerter kreativer Ohnmacht neigen Fernsehredakteure, wenn es Autoren und deren Bücher in Szene zu setzen gilt. Fürwahr gibt es einfachere Aufgaben im televisionären Berufsalltag. Porträtiert man beispielsweise die Betreiberin des ersten St. Pöltener FKK-Flohmarkts, kann man Nackte beim Stöbern und Feilschen filmen, begeisterte Nudisten und irritierte Anrainer um O-Töne anschnorren und den Bericht mit Bonmots der Flohmarkt-Pionierin veredeln. Schneiden, föhnen, fertig!

Auch Berichte über Brüllaffen-Drillingsgeburten, Bauernhofbrände, Bahnstreiks oder Brückensprengungen, um nur einige Beispiele mit B anzuführen, schütteln die Fernsehfritzen für gewöhnlich mit Bravour aus ihren Ärmeln. Bloß bei den vermaledeiten Literaturbeiträgen watet das Fernsehen seit Jahrzehnten durch gestalterisches Ödland.

Es ist immer das Gleiche!

Zuerst wird ein Interview mit dem Autor vor seiner Bücherwand oder auf einer Parkbank geführt. Weil das "vom Bild her" aber für drei Minuten dreißig noch nicht hinreichend fetzt, werden verlässlich folgende Schnittbilder aufgenommen: Autor schreibend im Kaffeehaus. Autor im Park, nachdenkend. Autor in seinem eigenen Buch lesend. Autor an seinem Schreibtisch, schreibend, nachdenkend oder in seinem eigenen Buch lesend. Autor abwechselnd nachdenkend und schreibend im Kaffeehaus. Autor nachdenklich Teetrinkend an seinem Schreibtisch. Autor geht spazieren und denkt nach. Schlussbild: Autor legt sein Buch vor die Kamera und schreitet in den unscharfen Hintergrund.

Diese TV-Schablonen entstehen, weil die Redakteure denken: "Ich muss den Autor doch bei jenen Tätigkeiten einfangen, für die er internationalen Ruhm genießt, und das ist nunmal zu schreiben, nachzudenken und ohne Unterlass sein eigenes Buch zu lesen."

Fürwahr wäre es irritierend, Peter Handke beim Turmspringen oder Vea Kaiser beim Desinfizieren einer Schürfwunde zu sehen. Doch man könnte Schriftsteller auch bei anderen sehr typischen Verrichtungen filmen, die das Image dieser Zunft um eine realistische Note bereichern würden:

Autor verzweifelt beim Steuerberater. Autor muss sein Buch "Claudia, der besten Karenzvertretung der Welt" widmen. Autor rezitiert vor drei Besuchern im Rahmen der "Wein-Lese" Gramatneusiedl. Autor greint, nachdem er den entsetzlichen Coverentwurf für seinen nächsten Roman erstmals sieht. Autor spielt Solitaire, statt zu schreiben. Autor verbrennt feierlich einen ganzseitigen Verriss. Autor löscht ungelesenes Mail mit dem Betreff "Kurzes Statement zum Freihandelsabkommen". Autor befestigt einen Strick am Dachbalken eines Bauernhofs nach fünf Wochen als Stadtschreiber von Attnang-Puchheim.

Jungautorin sitzt in Radiostudio und ist von dieser Glosse und der schönen Stimme des Vortragenden be-gei-stert.