Malaria-Therapie: Kritik an Med-Uni-Ergebnis

Es sei zulässig gewesen, dass Psychiatrie-Patienten gezielt mit Malaria infiziert wurden, bis Ende der 1960er Jahre. Dieses Forschungsergebnis hat die Wiener Medizinuni gestern präsentiert. Jetzt kommt aber massive Kritik an dieser Darstellung und zwar aus der zuständigen Historikerkommission. Womöglich seien sogar junge Soldaten medizinisch missbraucht worden. Aber man habe die Betroffenen nicht befragt.

Morgenjournal, 25.6.2015

Uneinigkeit über Zulässigkeit der Therapie

Die Malariatherapie ist in den 1960er Jahren praktisch nirgendwo außer in Wien angewandt worden, das hat die Medizin-Uni gestern bestätigt. Alle drei Tage musste mit Malaria infiziertes Blut von einem Patienten in den nächsten gespritzt werden, um den Malaria-Erreger am Leben zu erhalten. Bis zu 41 Grad Fieber waren die Folge, bevor die Patienten kuriert wurden. Die Therapie war aus damaliger Sicht dennoch zulässig, sagt der Meduni-Rektor. Aber der Medizinhistoriker Michael Hubensdorf, der im Beirat der Historikerkommission sitzt, meint: "Nein, seh ich nicht so." Und Hubensdorf findet sogar, die gestrige Pressekonferenz war keine der Historikerkommission: "Ein Teil der Historiker in dieser Kommission wird das vielleicht unterschreiben, ein andere Teil aber ganz und gar nicht." Die Psychiaterin Elisabeth Brainin ist aus Protest ausgetreten aus dem Beirat, sie spricht von:"Weißwaschen von Dingen, die eigentlich nicht in Ordnung waren."

Menschen womöglich ohne Diagnose infiziert

Ö1 ist auch eine Stellungnahme der wissenschaftlichen Mitarbeiter des Forschungsprojekts zugespielt worden. Da heißt es. Die Malaria-Fiebertherapie ist international zwar bis Ende der 50er Jahre gegen schwere Syphilis eingesetzt worden. Aber an der Wiener Uni-Klinik von Hans Hoff bis Ende der 60er Jahre bei psychiatrischen Erkrankungen. Zitat: "Weder in der internationalen noch in der Wiener medizinischen Fachliteratur finden sich medizinische Begründungen für den Einsatz der Malariatherapie bei diesen anderen psychiatrischen Diagnosen. "Am schwersten wiegt, dass Menschen womöglich ohne Diagnose infiziert wurden, nur um den Malaria-Erreger in ihrem Körper am Leben zu erhalten. Die Forscher schreiben "dass Patienten von der Klinik am Steinhof ausdrücklich „als Stammträger“ an die Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie zur Durchführung einer Malaria-Therapie überstellt wurden. Medizinische Begründungen konnten nicht gefunden werden.

Verhinderung von Entschädigungszahlungen?

Auch junge alkoholkranke Männer und wehrdienstpflichtige Soldaten bilden eigene Gruppen, die aus medizinisch nicht immer eindeutigen Gründen einer Malariatherapie unterzogen wurden. Und Psychiaterin Brainin sagt: „Wenn Patienten ihrer Therapie großen Widerstand entgegengesetzt haben, hat man ihnen Therapien verabreicht, die besonders unangenehm waren. Das ist eine Fragestellung, die meiner Meinung nach gar nicht untersucht wurde." Die Kritiker Brainin und Hubenstorf schließen nicht aus, dass durch das offizielle Forschungsergebnis Entschädigungszahlungen verhindert werden sollten. Und sie kritisieren, dass nur Akten studiert wurden anstatt auch einst betroffene Patienten zu befragen.