Ende der Netzbetten

Die österreichische Psychiatrie lässt mit dem heutigen Tag ein dunkles Kapitel hinter sich - aus Sicht von Menschenrechtsexperten. Die Netzbetten, auch Käfigbetten genannt, sind per heutigem Tag auch in Wien Geschichte und werden laut den Verantwortlichen verschrottet. Dass jetzt umso mehr Patienten am Bett angegurtet werden, wird von Experten dementiert.

Morgenjournal, 1.7.2015

Die Abschaffung der Netzbetten war die letzte Tat von Alois Stöger als Gesundheitsminister. Am Tag an dem er ins Infrastrukturministerium gewechselt ist, wurde bekannt, dass er per Erlass ein Netzbetten-Verbot verfügt hat. Und wie vorgesehen, wird es spätestens mit dem heutigen Tag umgesetzt, laut dem Wiener Krankenanstaltenverbund. Primar Peter Langer vom Otto-Wagner Spital, Österreichs größter Psychiatrie: mit heutigem Tag sei kein einziges Netzbett mehr vorhanden, sie seien abtransportiert und vernichtet worden.

Wien und die Steiermark waren neben Tschechien und der Slowakei die letzten Länder wo Netzbetten zuletzt noch eingesetzt wurden. Volksanwaltschaft und Anti-Folter-Komitee des Europarats haben das massiv kritisiert. Wenn psychisch Kranke in käfigartigen Betten gefangen seien, sei das entwürdigend und für Verwandte ein schrecklicher Anblick. Am LKH in Graz sind die Netzbetten dann schon mit Jahresbeginn abgeschafft worden und für Wien sagt Primar Langer nun. Man habe umgedacht und alternativen umgesetzt.

Wiener Psychiater hatten jahrelang argumentiert, die Alternative wäre, dass Patienten vermehrt angebunden / angegurtet werden im Bett - an Bauch Handgelenken und Füßen. Aber Patientenanwalt Bernhard Rappert sagt, er teile die Befürchtung nicht, wie sich an Beispielen in anderen Bundesländern zeige.

Offenbar sind in Wien auch zahlreiche Alternativen angeschafft worden - insbesondere für betagte und demente Patienten. Primar Langer sagt, es gebe Niederflurbetten um Stürze zu vermeiden und Sensormatrazen, die Signale an das Personal senden. Und was aggressive Patienten betrifft, betont der Wiener Psychiater, dass es Ausbildung in Deeskalationsmanagement gebe.

Patientenanwaltschaft und Volksanwaltschaft werden kontrollieren, ob dennoch mehr Patienten angegurtet werden. Menschenrechtskommissionsvorsitzender Ernst Berger wünscht sich auch personelle Aufstockung. Denn dort , wo es intensivere Betreuung gebe, freiheitsbeschränkende Maßnahmen seltener vorkommen.

Laut Primar Langer arbeitet eine Arbeitsgruppe an einer freilich mit Kosten verbundenen Aufstockung des Psychiatrie-Personals. Umgesetzt ist diese Maßnahme noch nicht.