Pop-up-Konzert als Auftakt zu Lockenhaus

Am Donnerstag beginnt das Kammermusikfest Lockenhaus. Aber schon am Montag hat der Cellist und Leiter Nicolas Altstaedt auf ganz besondere Weise persönlich für sein Festival Werbung gemacht: Mit einem Pop-up-Konzert in der Einkaufsmall Wien-Mitte.

Ferien in Lockenhaus - das ist für zahlreiche Musikfreunde aus Österreich, aber auch Deutschland ein sommerliches Fixprogramm; und zwar seit 34 Jahren. Das Kammermusikfest in der mittelburgenländischen Ortschaft hat ein Stammpublikum von seltener Treue. Der Geiger Gidon Kremer hat es 1981 gegründet und bis 2011 auch geleitet, gemeinsam mit dem musikbegeisterten Pfarrer Josef Herowitsch. Dann ließ sich Kremer auf eigenen Wunsch von dem deutschen Cellisten Nicolas Altstaedt ablösen.

Kulturjournal, 6.7.2015

Bahnhof Wien Mitte, die Zone gleich hinter dem Eingang durch das Einkaufszentrum The Mall, heute Mittag: Filialen von großen Ketten, Rolltreppen, eilige Menschenströme. Irgendwann steht plötzlich ein schwarzer Sessel neben einer Säule. Die baumlangen Herren vom Wachdienst bleiben stoisch, sie sind offenbar eingeweiht. Nicolas Altstaedt kann in Ruhe das Cello aus dem Kasten nehmen, stimmen und loslegen.

Die meisten Passanten drehen nur kurz den Kopf und sind schon vorbei; sie wissen nicht, dass hier ein gewisser Altstaedt Cello spielt, dass dieser Altstaedt ein Promi ist, und dass man normalerweise nicht wenig Eintritt zahlt, um ihn Bach spielen zu hören. Eigentlich hätte dieses Pop-up-Konzert in der Mall zu zweit stattfinden sollen. Doch die Geigerin Vilde Frang war krank geworden; und Cello allein kann sich nicht so gut behaupten gegen den Lärm eines belebten Shopping Center.

In Lockenhaus selbst sind solche Musiker-Ausfälle immer geschickt kompensiert worden; versammeln sich dort doch jedes Jahr Dutzende Stars und junge Entdeckungen zu Kammermusik in wechselnden Besetzungen.

Frack ist out in Lockenhaus

Ein handverlesener Kreis bildete sich dann doch um Nicolas Altstaedt auf seinem Sessel. Festivalprospekte werden ausgeteilt, man hört "ah so, Lockenhaus!", was wieder einmal zeigt, wie gut eingeführt diese Marke ist: Seit 1981 und bis heute ward nie ein Frack oder eine Abendrobe auf den Lockenhauser Konzertbühnen gesehen. Und wenn, dann war es einer der seltenen Verstöße gegen die Benutzerordnung, die da lautet: Kein Pomp; keine Gagen; kein Karrierismus in der Lockenhauser Oase. Keine Barrieren zwischen Künstlern und Publikum. Mit diesen Idealen waren Gidon Kremer und der im November verstorbene Pfarrer Josef Herowitsch angetreten; Nicolas Altstaedt bleibt ihnen treu: "Die Ideale, dass man für die Musik kommt, dass man zeitgenössische Musik spielt, dass man Programme in letzter Minute druckt - all diese Dinge, die so wichtig sind für Lockenhaus und für Spontaneität."

Es ist das erste Festival ganz ohne den zuletzt schwer kranken Josef Herowitsch. Ein Gedenkkonzert wird ihm gewidmet sein. Die Erinnerung an diesen herzlichen, ein wenig exzentrischen Geistlichen und kenntnisreichen Musikenthusiasten gehört zum Mythenschatz rund um Lockenhaus; genauso wie die vielen grandiosen Marathonkonzerte, die Künstler-Fußballmatches oder launige Reime aus den Festival-Begleitmedien, wie etwa: "Glockenklaus, oh Trockengraus, was macht Dir denn Hobocken aus?"

Festivalmotto "Im Volkston"

Die Konzerte im Rittersaal der Burg Lockenhaus und der Barockkirche umkreisen heuer das Motto: "Im Volkston". Den volksmusikalischen Wurzeln und Einsprengseln in klassischen Kompositionen soll nachgegangen werden. Nicht nur, aber auch bei den "üblichen Verdächtigen" in Sachen transformierter Folklore wie Schubert, Dvorak oder Janacek, Kodaly und Bartok.

"Ich glaub es ist ganz wichtig sich damit zu beschäftigen, wo das herkommt; was ist das eigentlich, wenn wir da eine Volksweise sehen, ist das moldawisch, ist das bulgarisch, ist das kroatisch, woher kommt das, was ist der Unterschied? Wenn man einmal sieht, wie die Menschen in Bulgarien oder Moldawien oder in Rumänien tanzen, und zu welchen Rhythmen sie tanzen, und wie die Bewegungsabläufe funktionieren, dann hat man einen ziemlich wichtigen Hinweis auch, wie man diese Musik spürt, wie man sie phrasiert, und man bekommt ein Gefühl für die Zeit, und auch für die Geschwindigkeit der einzelnen Sätze und der Themen und der Charaktere. Und ich glaube, damit muss sich jeder Interpret immer befassen. Und dazu möchte ich dieses Jahr auch dadurch animieren", sagt Festivalleiter Altstaedt.

Überraschung für Alt und Jung

Dem Publikum sollen solche Dinge nicht nur in den Programmheften vermittelt werden, sondern auch mit anderen Mitteln - wie, das verrät Altstaedt noch nicht. Denn, und das gehört neben dem Humor seit jeher zur Grundstimmung von Lockenhaus: "Das bleibt Überraschung!" Ein Zymbalspieler und ein Jazzpianist aus Ungarn werden mit von der Partie sein wie der Fiddler Mark O’Connor mit Musik aus den Appalachian Mountains.

Zum Stammpublikum, das Lockenhaus seit bis zu 34 Jahren treu bleibt, kommt vermehrt sehr junges Publikum. Altstaedt erklärt, wie er das anstellt: "Wir haben eine Journalistin, Julia Kaiser; die gibt Kindern die Möglichkeit, in die Konzerte zu gehen, zuzuhören, und danach einen Bericht zu schreiben und eine erste Kritik zu verfassen; Eindrücke zu sammeln und sich über Konzerte auszutauschen, und dadurch sind viele junge Leute mit ins Publikum gekommen. Und nächste Woche werden wir ein Konzert haben mit Preisträgern des Wettbewerbs Prima la Musica. Für mich war es nämlich wichtig, ein Konzert zu machen, dass für Kinder ist, aber auch von Kindern gespielt - die natürlich ihre jungen Freunde mit ins Publikum bringen."

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