"Groschens Grab" von Franzobel

Vor einem Jahr hat Franzobel mit "Wiener Wunder" sein erfolgreiches Debüt als Krimiautor abgeliefert, jetzt schickt er seinen Kommissar Falt Groschen wieder auf skurrile Verbrecherjagd: In "Groschens Grab" sind die Morde an einer geriatrischen Pornoschriftstellerin und an einem schwulen Szeneschneider zu lösen.

Damit nicht genug, ist der grantelnde Kommissar auch noch gezwungen, sein gewohntes Wiener Pflaster zu verlassen.

Morgenjournal, 28.7.2015

Die Königin der Greisenpornos

Alter schützt vor Schweinigeln nicht, vor allem, wenn das deftig ausgebreitete Sexualleben auch noch die Euros tanzen lässt. Die 82-jährige Ernestine Papouschek schreibt Greisenpornos, drängt sich zwecks Vermarktung in jede Talk-Show, ist bald darauf reich und einen Augenblick später tot. Bei seinen Ermittlungen stößt Kommissar Groschen auf die Vergangenheit der alten Dame in einer Künstlerkommune, in der freie Liebe propagiert und sexueller Missbrauch gelebt wurde.

Vor Jahren hat Franzobel eingehend über das Leben in der Mühl-Kommune recherchiert und das Material jetzt in sein Buch eingebaut. "Wie aus einem Haufen Freaks, die sich aus Geschirrtüchern Hosen machen und versuchen, eine völlig andere gesellschaftliche Idee zu leben, dann aber sehr schnell in ein streng hierarchisch-autoritäres System hineinkippen, wie das geht innerhalb weniger Jahre, das habe ich immer sehr faszinierend gefunden", erzählt der Schriftsteller.

Auf nach Bosnien

Wie schon in seinem Debüt, setzt Franzobel auch in "Groschens Grab" wieder auf Lokalkolorit. Diesmal streift sein Kommissar durch Wiens Suburbia, durch die toten Winkel von Ottakring und Hernals. Ein Befehl von oben zwingt den Flugphobiker aber nach Bosnien zu fliegen und einen vermeintlich Verdächtigen zu verhaften.

Franzobel hat zuletzt einen Monat als Stadtschreiber in Sarajevo verbracht und seine Erfahrungen vor Ort in "Groschens Grab" einfließen lassen: "Ich hatte das Glück viele Leute kennenzulernen und die haben mir viele Geschichten erzählt und was mich am meisten interessiert hat, das habe ich mit meinem Schreibschwamm aufgesaugt und dann wieder ausgepresst. Also das sind schon sehr wahre Geschichten. Und dann geht man als Fremder natürlich auch viel wachsamer durch die Stadt."

Seitenhiebe trotzen der Übersättigung

Die Kunstfertigkeiten des Krimihandwerks hat sich Franzobel bei zwei Klassikern abgeschaut. Agatha Christie und noch mehr Georges Simenon haben da in Sachen Spannungsaufbau Pate gestanden. Der Unterhaltungsaspekt ist ihm aber nicht genug, sein Kommissar soll nicht nur kriminelle Umtriebe sondern auch gesellschaftliche Missstände aufdecken. Seitenhiebe regnet es da dieses Mal etwa auf die Doppelmoral der katholischen Kirche.

Dieser gesellschaftskritische Aspekt hebt Franzobels Bücher auch heraus aus der mittlerweile unübersichtlich gewordenen heimischen Krimiflut. "Es ist halt tatsächlich so, dass, wie es in "Groschens Grab" heißt, mittlerweile in jeder Ackerfurche ein Kriminalkommissar sitzt und etwas recherchiert. Mein Verlag hat auch, als ich mit der Krimi-Idee gekommen bin, gesagt, vergiss das, der Krimi ist tot, der Markt ist total übersättigt", so der Autor.

Doch "Groschens Grab" schafft es, sich zu behaupten. Das liegt zum einen sicher am schrulligen Kommissar, der erklärtermaßen viel von seinem Schöpfer hat, zum anderen aber auch daran, dass Franzobel keinen Genierer hat. Denn welcher andere Autor traut sich, in den Kopf einer 82-jährigen Pornoqueen zu schlüpfen und ihre deftig-poetischen Sexfantasien vor seiner Leserschar auszubreiten.

Service

Franzobel, "Groschens Grab", Paul Zsolnay Verlag