Kritik vor NATO-Sondertreffen

Die Lage in der Türkei ist heute Thema eines NATO-Sondertreffens in Brüssel. Die türkische Armee greift weiter IS-Terroristen in Syrien an, aber auch Stellungen kurdischer Milizen, in Syrien und im Irak. Mit den USA hat sich die türkische Führung angeblich darauf geeinigt, eine Pufferzone an der Grenze einzurichten. Nicht alle NATO-Staaten sind aber mit dem Kurs der türkischen Führung einverstanden

Morgenjournal, 28.7.2015

Aus Brüssel,

Als Zeichen der Solidarität mit der Türkei bezeichnet eine NATO- Sprecherin das heutige Treffen. Um 11 Uhr werden am Sitz der NATO in der Nähe des Brüsseler Flughafens die Botschafter der 28 Mitgliedsstaaten zusammenkommen, auf Antrag der Türkei, die den Artikel vier des NATO- Vertrags erwähnt. Darin heißt es, dass es Beratungen geben muss, wenn ein Mitgliedsland die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sieht.

Viel schwerwiegendere Konsequenzen hätte der Artikel fünf, der besagt, dass ein Angriff auf ein NATO- Land ein Angriff auf alle ist und alle NATO- Staaten zu Hilfe eilen müssten. Davon sei man in diesem Fall weit entfernt, betonen deutsche Regierungsvertreter ebenso wie der NATO- Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sagt, die Türkei habe ein starkes Militär und sei gut in der Lage; sich ohne Hilfe von außen zu behaupten.

Aber die Türkei wird sich beim heutigen Treffen in Brüssel sicher heiklen Fragen stellen müssen. Denn sie hat gleich zwei neue kriegerische Fronten eröffnet. Eine davon besteht im Vorgehen gegen Stellung en der Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Syrien. Nach längerem Zögern hat die Türkei jetzt auch den Amerikanern erlaubt, von ihren Stützpunkten in der Türkei Bombenflüge gegen IS zu unternehmen. Nach Angaben der New York Times verfolgen die Türkei und die USA das gemeinsame Ziel, IS- Kämpfer in Syrien von einem rund hundert Kilometer breiten Streifen an der türkischen Grenze zu verdrängen.

Aber zugleich hat die Türkei auch mit Luftangriffen gegen Stellungen der kurdischen PKK im Nordirak begonnen. Und auch in Syrien haben kurdische Kämpfer behauptet, sie seien unter türkischen Beschuss geraten. Und das weckt auch im Kreis der NATO- Staaten Besorgnis. Denn damit könnte der Prozess der Aussöhnung mit den Kurden, auch auf türkischem Gebiet, gefährdet sein. NATO- Generalsekretär Stoltenberg äußert die Hoffnung, das türkische Vorgehen möge den Friedensprozess nicht gefährden.

Viel Gesprächsstoff also für da heutige Treffen der NATO- Botschafter in Brüssel, die bei aller Bündnistreue die Absichten der Türkei recht kritisch hinterfragen dürften.