Aufregung um Satiresendung "Les Guignols"

Seit 27 Jahren läuft die Satiresendung "Les Guignol de l'Info" im französischen Pay-TV-Sender Canal+: mit bissigem Humor und rund 300 Gummipuppen von Politikern und Prominenten, die Abend für Abend auf die Schaufel genommen werden. Doch der neue Hauptaktionär des Senders stellte Anfang des Sommers ein mögliches Aus der Sendung in den Raum und erntete einen Sturm der Entrüstung.

Morgenjournal, 3.8.2015

Der seit 1984 bestehende französische Fernsehsender Canal+ hat seit wenigen Monaten einen neuen Hauptaktionär - Vincent Bolloré, einen engen Vertrauten von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Bolloré hat Anfang des Sommers signalisiert, die legendäre tägliche Satiresendung "Les Guignols de l'info", könnte abgeschafft werden. Darauf brach im Land ein Sturm der Entrüstung los.

Aufschrei durchs ganze Land

Im Internet haben Zehntausende eine Petition unterzeichnet, die das Fortbestehen dieser Sendung forderten, mit ihrem bissigen Humor und den rund 300 Gummipuppen von Politikern und Prominenten, die Abend für Abend auf die Schippe genommen werden. Der Protest war so stark, dass der Milliarden schwere Bolloré einen ersten Rückzieher machen musste und nun einen allerdings umstrittenen Kompromissvorschlag vorgelegt hat.

Unter dem Vorwand, dass Canal+ unerlässliche Sparmaßnahmen vornehmen müsse, hatte der Starunternehmer und neue Hauptaktionär Vincent Boloré durchblicken lassen: Die Kultsendung nach dem Vorbild des britischen "Spitting Image" könnte gestrichen werden - bzw. nur noch als wöchentliche Sendung existieren. Diese Verballhornung der Hauptnachrichten der französischen Fernsehsender wird um 20.00 Uhr, zur gleichen Zeit wie die echten Nachrichten, ausgestrahlt.

Im Handumdrehen ging ein echter Aufschrei durchs Land, was den Eindruck erweckte, die Guignols seien im Lauf von fast drei Jahrzehnten tatsächlich ein Stück Kulturgut Frankreichs geworden. Und auch zahlreiche Politiker, deren Puppen bei den Guignols für sie alles andere als schmeichelhaft sind, meldeten sich umgehend zu Wort. Selbst der Staatspräsident - dessen Latexversion in der Sendung reichlich hilflos, verzagt und etwas unterbemittelt daher kommt - hob, auf Reise in Afrika, den mahnenden Finger und erklärte, Satire sei für Frankreich unverzichtbar.

"Man muss alles tun, um sie zu retten"

Fast gleichzeitig drängte sich zu Hause Regierungschef Manuel Valls vor die Kameras: Es sei wichtig, dass Frechheit, Humor und eine gewisse ironische Distanz existieren. "In diesen eher schweren Zeiten ist es nötig, dass man lächeln kann, auch wenn man auf unsere Kosten lächelt", betonte Valls.

Der ehemalige konservative Premierminister und mögliche Präsidentschaftskandidat für 2017, Alain Juppé, hatte sich als einer der ersten zu Wort gemeldet: "Ich sehe mich gerne bei den Guignols. Wir haben sie nötig", twitterte er und ersetzte sein Foto auf der Twitter-Seite durch das Konterfei seiner Puppe bei den Guignols. Und auch der Parlamentspräsident sagte vor Mikrofonen, man müsse alles tun, um die Guignol zu retten.

3,5 Millionen Zuschauern täglich

Diese Reaktionen sagen auch einiges über die Stärke und das politische Gewicht dieser Satiresendung aus, die den französischen Politikern letztlich keine andere Wahl lässt, als gute Miene zum manchmal eher bösen Spiel zu machen - das allabendlich von bis zu 3,5 Millionen Zuschauern gesehen wird. Eine ganze Generation von Franzosen ist inzwischen mit den Guignols aufgewachsen. Gerade viele jüngere verfolgen das politische Geschehen im Land, wenn überhaupt, dann durch die Augen dieser Satiresendung.

Umgehend kamen Gerüchte auf, wonach hinter diesem Manöver kein anderer als Ex-Präsident Nicolas Sarkozy stecke - dass er seine ständig zappelnde, hysterische und zynisch-bösartige Puppe bei den Guignols nicht ausstehen kann, ist ein offenes Geheimnis. Der Altmeister des französischen Kabaretts, Guy Bedos, etwa wetterte: "Monsieur Bolloré ist ein großer Freund von Nicolas Sarkozy, ich glaube, sie sind in Paris sogar Nachbarn und er will die Guignol einfach abschalten. Dabei haben die Guignols doch auch Francois Hollande oder den Chef der Linkspartei Melenchon nicht geschont - das Ganze ist grotesk. Und es ist ganz und gar politisch motiviert und das ist unerträglich, weil es ein Angriff auf die Meinungsfreiheit ist."

Eine Stunde später & nur für Abonnenten

Immerhin hatte Vincent Bolloré zu verstehen gegeben, dass auch er - der natürlich ebenfalls seine Puppe bei den Guignols hat - den Humor der Satiriker nicht sonderlich goutiert: "Manchmal ist es zu viel Spott, und auch verletzend und unangenehm. Ich finde, wenn man sich über sich selbst lustig macht, ist das gut. Sich über andere lustig zu machen, ist weniger gut."

Nach dieser Äußerung setzten die Guignols noch am selben Abend Bollorés Puppe zum Interview in ihr Fernsehstudio und erörterten mit ihr die schwerwiegende Frage, was denn für den neuen Patron von Canal+ "akzeptabler" Spott sein könnte.

Ab September, so wurde jetzt beschlossen, ist die achtminütige Satiresendung eine Stunde später als bisher nur noch für die Abonnenten von Canal+ und nicht mehr für alle Franzosen zugänglich, was den Einschaltziffern kaum dienlich sein dürfte. Kritiker sehen darin einen ersten Schritt für den schleichenden der satirischen Kultsendung.

Service

Canal+ – Les Guignols de l’Info