Münchner Ausstellung zur Sammellust

Worin erblicken zeitgenössische Sammler den Reiz ihrer Trouvaillen, und was sammeln sie? Das versucht eine Ausstellung im Münchner Stadtmuseum zu zeigen. Unter dem Titel "'Das habe nur ich!' - Über Sammellust und Liebhabereien" werden mehr als tausend Objekte aus mitunter kuriosen Sammlungsgebieten präsentiert.

Kulturjournal, 3.8.2015

Ob seltene Handschriften oder Neujahrsgrußkarten, Münzen oder Modelleisenbahnen, Briefmarken oder Überraschungseier: Menschen sammeln, seit jeher. Das Sammeln - die Jagd nach dem Besonderen, die Vermehrung der Schätze - scheint ein Urbedürfnis zu sein, ein Akt der Selbstverwirklichung. Der Gebrauchs- oder Kunstwert der gesammelten Dinge spielt dabei nicht immer eine Rolle.

Passion für Löffel

Kein Löffel ist wie der andere: Der eine ist aus Holz, der andere aus Blech, der dritte aus Plastik; der eine ist ein kleiner Eis-, der andere ein Suppen- und der nächste ein Kochlöffel. Hermann Jünger, ein Münchner Goldschmied, sammelte über Jahre hinweg Löffel, benutzte Löffel - weil ihn die Ästhetik gebrauchter Dinge generell faszinierte; weil ihn interessierte, wie die Nutzung die Form veränderte; weil ihn die kulturellen Unterschiede neugierig machten, die einen Löffel aus Asien oder Afrika anders aussehen lassen als einen aus seiner Heimat.

Was für den einen die Löffel, sind für andere Bierkrüge, Jugendstil-Flacons, Porzellan-Pierrots oder König-Ludwig-Devotionalien, griechische Ikonen oder türkische Textilkunst, alte Schokoladenverpackungen oder aus Holz geschnitzte und bemalte kleine Vögel: Objekte einer Sammelobsession, die in den unterschiedlichsten Versionen aufgestöbert und bewahrt werden.

"Sammeln, das ist eine angeborene Sache", betont Kurator Helmut Bauer. "Es gibt als allererstes das ökonomische Sammeln: Man erwirbt Nahrung, man bewahrt die Nahrung auf, um über den Winter zu kommen. Also: Jäger und Sammler." Von diesem ursprünglichen Sammeln unterscheidet man das ästhetische Sammeln: Man sammelt, weil einem etwas gefällt, weil man bestimmte Dinge für schön und erhaltenswert erachtet, weil das Gesammelte, wie auch das Sammeln selbst, Freude bereitet.

Spürsinn, Besitzerstolz und Exklusivität

Gesammelt wird oft, womit der Sammler auch sonst, beruflich oder privat, zu tun hat. Die Gründerin einer Modeschule erwarb Bücher, Illustrationen und Kleidungsstücke zur Modegeschichte und etablierte ein penibel geordnetes "Kostümforschungsinstitut". Manchmal aber kommt der Sammler zur Sammlung wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind: Auf einem Jahrmarkt in Südfrankreich begegnete ein Sammlerpaar einem Mann, der einen kinetischen Hund spazieren führte und begann fortan, die ebenso filigranen wie skurrilen, beweglichen Objekte vom Bastler Roland Roure zu sammeln. Eine andere Sammlerin wurde im Straßenverkehr fündig - und las Tausende von Cola-, Red-Bull- und anderen Dosen auf, die unter die Räder gekommen waren.

"Das habe nur ich!" behaupten manche Sammler, wenn sie etwas Einzigartiges in ihrer Sammlung haben, und dieser Satz, zugleich der Titel der Ausstellung, verweist darauf, was das Sammeln, ob es nun ein systematisches oder eher ein chaotisches ist, im Wesentlichen ausmacht: Spürsinn, Besitzerstolz und Exklusivität.

Schutzengel, Vespas oder Nippesfiguren

Da gibt es jemand, der ausschließlich Liebesromane mit Happy End sammelt, und andere, die sich auf Schallplattencover kaprizieren, die erotische Motive haben. Da gibt es die Schutzengelsammlerin, die Wertstoffhöfe nach weggeworfenen Porzellan-Schutzengeln durchforstet und damit selbst quasi zum Schutzengel dieser Figuren wurde - weil: Engel wegwerfen, das ginge doch nicht. Oder den "Vespasianer", der alte Vespas sammelt: Karussell- und Kinder-Vespas, eine Rikscha-Version mit Holzaufbau oder Vespas mit Seitenwagen, die nicht nur das Auge des Sammlers erfreuen, sondern von ihm auch benutzt werden, für Nostalgiefahrten ins Mutterland der Roller zum Beispiel. Die Ausstellung zeigt: Es gibt nichts, was nicht gesammelt wird, aber nicht alles zeigen die Sammler gern her - und nicht alles eignet sich für eine museale Präsentation.

Insgesamt 33 verschiedene Positionen zum Thema Sammeln zeigt die von Helmut Bauer liebevoll und kenntnisreich zusammengestellte Schau, wobei freilich immer nur ein kleiner Teil der jeweiligen Sammlung gezeigt werden kann - als Stillleben in Vitrinen, auf Tischen oder Kommoden: von kitschigen Nippesfiguren bis zu teurem, exklusivem Kunsthandwerk.

"Menschensammler" Martin Walser

Dabei erfährt man auch einiges über die Sammler und ihren Anlass, zu sammeln - und über die oft enge Symbiose zwischen dem Sammler und seinen Schätzen. "Ich sammle Menschen", gestand unlängst der Schriftsteller Martin Walser. "Ich kann nichts wegwerfen, was mit meinen Gegenständen und Materialien als Schriftsteller zu tun hat. Ich sammle, als würde ich 200 Jahre alt werden und ersticke mich selber ...", sagte Walser, für den das gesammelte Menschenmaterial im Grunde die gleiche Funktion hat wie die Löffel für Hermann Jünger: Sie dienen als Inspiration für die eigene schöpferische Arbeit.

Service

Münchner Stadtmuseum – Das habe nur ich! Über Sammeln und Liebhabereien. Bis 10. Januar 2016

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