Abdullah Kenan Karaca wird Passionsspielleiter

Die Passionsspiele von Oberammergau gehören zu den wichtigsten kulturellen Ereignissen in Bayern. Langjähriger zweiter Spielleiter und Dramaturg war bisher der Oberammergauer Lehrer Otto Huber. Ihm folgt nun mit Abdullah Kenan Karaca ein Moslem nach.

Abdullah Kenan Karaca

Abdullah Kenan Karaca

EPA/SVEN HOPPE

Kulturjournal, 12.8.2015

Gäste aus aller Welt besuchen alle zehn Jahre die weltweit berühmten Aufführungen des Passionstheaters, bei dem nur gebürtige Oberammergauer mitspielen dürfen.

2020 leitet Regisseur Christian Stückl zum vierten Mal das Team als erster Spielleiter. Langjähriger zweiter Spielleiter und Dramaturg war bisher ein Oberammergauer Lehrer. Der aus Altersgründen ausscheidende Otto Huber wurde jetzt ersetzt durch einen jungen, gebürtigen Oberammergauer. Der Unterschied: Er hat einen türkischen Pass und ist Moslem.

Es ist eine kleine Revolution

Im tiefsten Bayern bestimmt demnächst ein junger Türke die Geschicke einer tiefreligiösen, christlichen Tradition mit: Das erste Mal seit 380 Jahren gehört ein Moslem dem Leitungsteam der Oberammergauer Passionsspiele an. Salam Aleikum unterm Holzkreuz.

Der neue Spielleiter lacht gern, er steht mit Lederjacke am Oberammergauer Gemeindehaus; gern geht er durch seinen Heimatort, redet mit den Nachbarn. Vor 26 Jahren wurde Karaca zwischen alle der Lüftlmalerei geboren, ging hier zur Schule, wuchs selbstverständlich mit den Passionsspielen auf, stand 2010 selbst auf der Bühne - inmitten des Volks. Ein junger bärtiger Mann - mehr Bayer als Türke.

Mittlerweile studiert er Regie in Hamburg, hospitierte vorher am Münchner Volkstheater bei Christian Stückl. Seine Shakespeare-Inszenierung "Romeo und Julia" für das Passionstheater in diesem Sommer gab einen ersten Eindruck von seiner Arbeit vor Ort. Die berühmteste Liebesgeschichte der Welt geriet bei ihm erstaunlich zahm und gefällig, garantiert unaufregend, aber lustig. Dass er nun ins Leitungsteam der Passion gewählt wurde macht ihn stolz.

Skepsis und Zustimmung im Gemeinderat

Im Gemeinderat herrscht Zustimmung und Ablehnung zum neuen Spielleiter. Mit 13 zu 5 Stimmen wurde das Stückl-Karaca-Duo vor kurzem vom Oberammergauer Gemeinderat als Team der Passion 2020 gewählt. Kritiker fragen sich: Kann das neue Team mit Karaca die Kernbotschaft der Passion glaubwürdig auf die Bühne bringen und das auch den Gästen so vermitteln? Öffentlich Kritik äußern will keiner in Oberammergau, dafür ist das Thema zu heikel. Ob die Personalie nun eine Bereicherung ist für die Passionsspiele oder schlicht ein Zeichen der Zeit - darüber ist man sich nicht wirklich einig. Man versteht es ein wenig zweckoptimistisch als Zeichen von Weltoffenheit.

Frauen unter 35 durften nicht mitspielen

Mit 23 Jahren inszenierte Karaca zum ersten Mal am Münchner Volkstheater, Christian Stückl holte ihn als Regieassistent zu seiner "Jedermann"-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen. Stückl empfindet die Skepsis der Oberammergauer eher als Ansporn. Auch er sei beim ersten Mal vor 25 Jahren nach einer kontroversen Gemeinderatssitzung mit 8 zu 9 Stimmen ganz knapp gewählt worden. Bis zu seiner ersten Saison 1990 durften keine Frauen unter 35 bei der Passion mitspielen, geschweige denn Protestanten. Seitdem gab es viele kleine Revolutionen, vor allem auf Anregung von Stückl.

Welchen Einfluss der junge Türke auf die weltweit bekannten Passionsspiele nimmt, das wird sich erst in fünf Jahren zeigen. Bis dahin werden der Text überarbeitet, neue Kleider entworfen und Musik komponiert. Im Mai 2020 beginnen die 42. Passionsspiele von Stückl und Karaca. Für die Tickets kann man sich bereits jetzt schon vormerken lassen.