Echo des Unerhörten: Weimar-Leningrad/Die verdrängte Avantgarde 1918-1938
Die Musik von ins Exil getriebenen Komponistinnen und Komponisten in einer Gesprächskonzertreihe im Großen Sendesaal: In der ersten Ausgabe interpretierte das Klangforum Wien Stücke von Nikolai Roslavets, Nikolai Obukhov, Dmitri Schostakowitsch, Karl Amadeus Hartmann und Stefan Wolpe.
21. August 2018, 21:46
(c) Lukas Beck
Im Rahmen des Saison-Schwerpunktes "Echo des Unerhörten" bieten in Kooperation mit dem "Erstickte Stimmen - Forum Wien" veranstaltete thematische Gesprächskonzerte eine lohnende Auseinandersetzung mit der gewaltsam zum Schweigen gebrachten Moderne.
Aus dem auf den Ersten Weltkrieg folgenden politischen Chaos entstand in Deutschland unter der neuen Weimarer Republik und in Russland nach der bolschewistischen Revolution eine Vielfalt musikalischer Strömungen, die, vom Dadaismus bis zur Neuen Sachlichkeit und von der Zweiten Wiener Schule bis zur Entstehung des Jazz in der E-Musik zu Anfang der 1930er Jahre, eine ausgesprochen reichhaltige Entwicklung erfährt.
(c) Forum Voix étouffées
Unter der Radikalisierung der aufsteigenden autoritären Ideologien, die in der UdSSR schon an der Macht und in Deutschland auf dem Weg zur Machteroberung waren, ist 1932-33 diese befreiende Kreativität zum Untergang verurteilt. Im Namen des neuen nationalsozialistischen oder sowjetischen Menschen wird die Avantgarde in beiden Ländern gleichzeitig mundtot gemacht, die eine aus rassistischen und politischen Gründen, die andere im Namen des sozialistischen Realismus. Die Folgen sind bekannt: das Exil oder die Verschleppung der Komponisten, die Unterdrückung und das spätere Vergessen ihrer Werke.
Nicht irgendein Recht auf Gedächtnis ist der Grund, aus dem das Werk dieser Komponisten Gehör finden soll, sondern die Bedeutung ihres musikalischen Schaffens und auch das Versprechen der Erneuerung, das ihre Kompositionen für die moderne kulturelle Welt darstellen.
Ihre Musik wurde in einer Periode der wirtschaftlichen und geistigen Not geschaffen, die unserer aktuellen Situation in vielem frappant ähnlich ist, und sie vertritt Prinzipien, die eine enge Resonanz mit unserer Gesellschaft finden: Verdinglichung, Freiheit, Entfremdung, Utopie.
Verschleppt wie Nikolai Roslavets, ins Exil getrieben wie Stefan Wolpe (nach den USA) oder Nikolai Obukhov (nach Frankreich), oder ins Innere Exil gezwungen wie Karl Amadeus Hartmann oder Dmitri Schostakowitsch, sind alle diese Schaffenden fehlende Glieder innerhalb der Modernität.
Das Klangforum Wien spielte das "Poème Douloureux" und das "Poème Lyrique" aus Nikolai Roslavets´ (1881-1944) "Trois Poèmes" sowie die Nocturne aus seinen "3 Tänzen", außerdem Nikolai Obukhovs (1892-1954) "Six Prières", Dmitri Schostakowitschs "1. Klaviertrio op. 8", Karl Amadeus Hartmanns "Tanzsuite" und – als Uraufführung! - Stefan Wolpes (1902-1972) "Konzert für 9 Instrumente".
Irene Suchy führte ein Gespräch mit dem Dirigenten und Gründer des "Erstickte Stimmen - Forum Wien" Amaury du Closel sowie mit dem Wolpe-Experten Austin Clarkson (York University, Toronto).
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Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem "Erstickte Stimmen - Forum Wien" und in Zusammenarbeit mit dem Klangforum Wien, gefördert von der EU im Rahmen ihres Programms "Europa für Bürger und Bürgerinnen" und der Französischen Botschaft in Österreich.
Service
Echo des Unerhörten: Weimar-Leningrad/Die verdrängte Avantgarde 1918-1938
Mittwoch, 28. Oktober 2015
20:00 Uhr
Großer Sendesaal
Voix Etouffées
Klangforum Wien
The Stefan Wolpe Society
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