Nachruf auf Peter Kern

Der österreichische Regisseur und Schauspieler Peter Kern ist gestern im Alter von 66 Jahren gestorben. In der heimischen Filmlandschaft galt "der Kern" als umstrittene, aber auch einzigartige Persönlichkeit, die unbeirrbar, trotz finanzieller Engpässe, fast jedes Jahr einen Film drehte, darunter Titel wie "Haider lebt - 1. April 2021", "Blutsfreundschaft", "Mörderschwestern" oder zuletzt "Der letzte Sommer der Reichen".

Peter Kern

Peter Kern im Februar 2015, anlässlich der Präsentation des Films "Der letzte Sommer der Reichen" im Rahmen der Berlinale.

APA/DPA/MICHAEL KAPPELER

Kulturjournal, 27.8.2015

Schon bei der heurigen Berlinale war Peter Kern schwer angeschlagen. Ein paar Schritte zum Podium der Pressekonferenz seines Films "Der letzte Sommer der Reichen" hatten ihn derart außer Atem gebracht, dass er den Moderator bat, doch zuerst jemand anderem eine Frage zu stellen.

Auch wenn der Körper nachließ, im Geiste gab sich Peter Kern stets kämpferisch: ob 2009 gegen neonazistische und schwulenfeindliche Umtriebe wie in seinem Film "Blutsfreundschaft" oder 2002 als direkter Affront gegen einen US-amerikanischen Weltherrschaftsanspruch und die Umtriebe der Haider-FPÖ zugleich in der Polit-Satire "Haider lebt - 1. April 2021".

In seinem letzten Film "Der letzte Sommer der Reichen" knöpfte sich Kern die Auswüchse eines außer Kontrolle geratenen Kapitalismus vor, wobei er vor allem die menschlichen Folgen für das Individuum, in diesem Fall eine erfolgreiche Konzernmanagerin, warnend zur Schau stellte: "Es gibt kein Glück für reiche Leute", so Kern in einem Interview, "wenn, dann spielen sie es uns vor mit einer noch größeren Yacht. Das ist alles zu Zeichen für 'ich bin eigentlich nicht lebensfähig - schaut was ich habe, ihr habt nichts'."

Der oft bizarre Realismus, mit dem Peter Kern gesellschaftlichen Missständen zu Leibe rückte, sollte bewusst verstören, wirkte aber oft auch konfus und plakativ, manchmal gar unfreiwillig ironisch, kompromisslos und kokett zugleich. Seinen Anspruch an die Kunst formulierte Kern aber umso klarer: "Die Kunst hat die Aufgabe uns zu zeigen, wie lebenswert das Leben ist - darin hat sie Ahnung zu haben und in dieser Ahnung muss sie scheitern dürfen."

Produktives Querulantentum kultiviert

Begonnen hat Peter Kern seine Karriere beim Film als Schauspieler, etwa bei Rainer Werner Fassbinder in "Despair", "Faustrecht der Freiheit" und "Mutter Küsters Fahrt zum Himmel", auch Hans-Jürgen Syberberg, Peter Zadek, Wim Wenders und Werner Schroeter engagierten ihn. Sein Regiedebut gab Kern 1983 mit "Die Insel der blutigen Plantage".

Die Schonungslosigkeit, mit der Peter Kern seine Anklagen gegen andere vorbrachte, bemühte er auch, wenn es um ihn selbst ging, etwa wenn er im Filmporträt "Kern" von Veronika Franz und Severin Fiala seine eigene enorme Leibesfülle kommentierte: "Fett ist ja auch Anarchie, sich so anzufressen ist ja auch ein Statement für diese Gesellschaft, für diese Leck-mich-am-Arsch-Gesellschaft, die von mir will, dass ich schlank, dünn und angepasst bin."

Peter Kerns Filme waren meistens Low-Budget-Angelegenheiten. Aus wenig viel machen, das war in der Tradition des Autorenfilms ein ständiges Arbeitsprinzip, genauso wie permanente Appelle an die Kulturpolitik: "Ich hoffe auf Frieden in dieser Welt. Ich hoffe, dass die Menschen beginnen zu denken, aber dafür müssten wir mehr Geld in die Kulturpolitik stecken, dass wir mehr Möglichkeiten haben, vorzudenken."

"Wurscht was die Leute über mich sagen" - mit dieser Haltung hat der Exzentriker Kern auch eine Art produktives Querulantentum kultiviert. Damit konnte er ziemlich unberechenbar, aber im selben Moment auch liebenswürdig sein.