Roman von Jonathan Franzen

Unschuld

Das Scheitern ist eine Grunderfahrung in Jonathan Franzens Büchern, das weiß man seit seinem Millionenseller "Die Korrekturen" aus dem Jahr 2001. Da zerbricht die Vorstellung des totalitären, geschlossenen Kosmos Familie an der Wirklichkeit gegenwärtiger fragmentarischer Biografien. Sein neuer Roman "Unschuld" wurde als Abrechnung mit totalitären Systemen beworben.

Andreas Wolf hat Ausstrahlung und Charisma; gleichzeitig ist er ein Charakter, den das Rätselhafte umweht: In der DDR geboren und nach 1989 als Dissident gefeiert, ist er ein umschwärmter Mann, dem die Frauen zu Füßen liegen. Wolf gilt als einer der gefährlichsten und meistgejagten Aufdecker der Welt und ist im Roman der Großneffe von Markus Wolf, dem legendären Spion und Chef des DDR-Geheimdienstes. Vom bolivianischen Dschungel aus kämpft Andreas gegen soziale Ungerechtigkeit, politischen Terror und die zerstörerische Autorität internationaler Konzerne.

In der Person des Andreas Wolf bündelt Franzen die beiden Hauptstränge des Romans: die DDR und das Internet - und damit die Mechanismen der Diktatur. Das Konstrukt, das auf diese Weise entsteht, wirkt ziemlich überlastet. Man merkt dem Handlungsverlauf an, wie sehr sich der Autor mit seinen Ansprüchen überfordert. Der Band gebärdet sich schließlich als der Kommentar zu unserer Zeit.

Über weite Strecken ist der Band gewohnt souverän geschrieben: mit tollen Dialogen und präzise gestalten Figuren, die sich glaubwürdig in ihrem Setting bewegen. Die historischen Hintergründe sind aufwändig recherchiert und packend präsentiert. Doch Franzen spürt nicht, wo er sich auf Nebenwegen verliert. Das geht bis ins Sprachliche hinein. Zuletzt gelingt es ihm doch noch, das Buch zu einem furiosen Finale zu bringen.

Service

Jonathan Franzen, "Unschuld", Roman, aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell und Eike Schönfeld, Rowohlt Verlag