"Adibas": Zaza Burchuladzes Georgien

So direkt, so frontal hat kaum einer die herrschenden Verhältnisse, den Totalitarismus der orthodoxen Kirche, aber auch die lethargischen Bürger Georgiens angegriffen. Hierzulande ist Zaza Burchuladze noch völlig unbekannt. Mit seinem nun auf Deutsch erschienenen Roman "Adibas" könnte sich das ändern.

Mittagsjournal, 6.10.2015

"Eine glänzend komponierte Parabel auf unsere globalisierte Welt"

Kein Buch der letzten Jahre hätte ihn mit solcher Begeisterung erfüllt, schreibt der bekannte ukrainische Autor Jury Andruchowytsch über Zaza Burchuladzes "Adibas". Andruchowytschs russischer Kollege Vladimir Sorokin bezeichnet den Roman als eine hochkomische und zugleich tieftraurige Geschichte, die ihn überaus bewegt habe.

"Einen solchen Autor kann Georgien nicht gebrauchen"

Zaza Burchuladze hat in Tiflis Malerei studiert bevor er sich dem Schreiben widmete. Mit seinen bissigen, ja geradezu wütenden Gesellschaftsporträts und seinen provokativen Auftritten bei Lesungen und in Fernsehshows hat er sich in seiner Heimat Georgien viele Feinde gemacht. Der einstige Staatspräsident Saakaschwili verkündete, einen solchen Autor könne das Land nicht gebrauchen.

"Jahrelang habe ich Drohungen erhalten. Ich dachte, dass es dabei bleiben würde. Doch dann versuchte man, mich mit dem Auto anzufahren. Man verprügelte mich im Beisein meiner Frau auf der Straße, so dass ich ins Krankenhaus musste. Deshalb lebe ich mit meiner Frau heute in Berlin", sagt Burchuladze. Der 1973 geborene Autor ist ein Provokateur. Mit keinem seiner vier Romane aber hat er seine Landsleute so gegen sich aufgebracht wie mit dem Roman "Adibas". In fünfzehn, scheinbar nicht miteinander verbundenen Episoden erzählt Zaza Burchuladze über den Umgang seiner Landsleute mit dem georgisch-russischen Krieg im Jahr 2008.

Von Kampfjets, Mojitos und Markenklamotten

"Als die russischen Panzer auf die georgische Hauptstadt zurollten, ging ich auf die Straße", erinnert sich Burchuladze. "Tiflis war leergefegt wie in einem absurden französischen Film. Nur wenige der Bewohner aber hatten die Stadt verlassen. Der Rest der Bevölkerung aber, so schien es mir damals, saß in den Restaurants. Sie aßen und tranken und lachten. Und ich konnte nicht begreifen, was der Grund ihres Gastmahls war."

Burchuladse erzählt von einer Gesellschaft, die dem Leid der Menschen in Südossetien und in den von der russischen Armee kurzeitig besetzten georgischen Gebieten völlig gleichgültig gegenübersteht. Von Menschen, die am Pool weiter ihre Mojitos schlürfen, während Kampfjets über den Himmel donnern, von Menschen die nicht aufhören in Secondhandläden nach Markenklamotten zu suchen, während Splitterbomben auf einen Markt fallen.

Mosaikartiges Bild einer Gesellschaft

"Ich zeichne in meinem Buch das Bild einer Gesellschaft in der Transformation. Oder besser gesagt: Ich schreibe hier über eine Gesellschaft, die in der Transformation stecken geblieben ist. In der es keinerlei innere Motivation gibt, etwas an diesem Zustand zu ändern. In der die Menschen der festen Überzeugung sind, dass man an dieser Situation nichts ändern kann, weil alles Gute und alles Schlimme nur von außen kommt."

Die Menschen in "Adibas" handeln wie Avatare, wie Kopien ihrer selbst. Burchuldazes Episoden sind bevölkert von Neureichen, Obdachlosen auf der Suche nach Drogen, aus dem Ausland zurückgekehrten Exilanten oder einfachen Menschen auf der Suche nach dem kleinen Glück. Keiner seiner Protagonisten aber scheint dem Land eine Zukunft zu eröffnen. Mosaikartig setzt Burchuladze so das Gesamtbild einer Gesellschaft zusammen, die in eine Phase der Mutation geraten ist, unfähig zu sich selbst zurückzufinden.

Das alles ist in einem Stil geschrieben, der an amerikanische Prosa aus den 1980er Jahren erinnert, aber auch an japanische Mangas oder belgische Comics. Auch deshalb ist "adibas" mehr als nur ein Roman über "georgische Verhältnisse". Es ist eine glänzend komponierte Parabel auf unsere globalisierte Welt.

Service

Zaza Burchuladze, "Adibas", aus dem Georgischen von Anastasia Kamarauli, Aufbau Verlag

Buchpräsentation am Donnerstag, 8. Oktober um 19.00 Uhr in der Hauptbücherei am Gürtel, 1070 Urban-Loritz-Platz 2a
Hauptbücherei - Zaza Burchuladze liest aus "Adibas"