Gedichte von Christoph W. Bauer

stromern

Es ist erstaunlich, welche Funken Christoph W. Bauer aus poetischen Traditionen zu schlagen vermag. War der grandiose Gedichtband "mein lieben mein hassen mein mittendrin du" vor allem vom lateinischen Dichter Catull inspiriert, so bezieht sich das neue Buch "stromern" immer wieder auf Francois Villon, den großen französischen Dichter des Spätmittelalters.

"Wer sich auf Bauers Gedichte einlässt, wird so schnell nicht mit dem Lesen aufhören."

Gesicht eines Mannes, Buchcover

Haymon Verlag

Service

Christoph W. Bauer, "stromern", Gedichte, Haymon Verlag

Der klare diagnostische Blick des Außenseiters auf die Gesellschaft und ihre proklamierten Wahrheiten und die satirische Desavouierung des romantischen Liebeskonzepts sind zentrale Themen des Bandes. Und der erste Dialog mit Francois Villon am Beginn des Bandes signalisiert: Auch die Poesie selbst wird immer wieder zum Auslöser poetischer Reflexionen. Mit Villon kommt natürlich das Vagantische und Vagabundierende ins Spiel, die radikale Absage an ein Zuhause, das programmatische Unterwegssein.

Wie schon bisher praktiziert Christoph W. Bauer die radikale Kleinschreibung in seinen konsequent ohne jedes Satzzeichen auskommenden Gedichten. Man muss also beim Lesen ausprobieren, welche Wortgruppen zusammengehören, und findet die Sätze erst durch eine Lektüre aus trial and error. Das ist keineswegs nur eine eingebaute Hürde gegen den schnell konsumierenden Lesefluss, sondern schafft immer wieder interessante syntaktische Mehrfachbezüge und lässt durch mögliche andere Verbindungen von Wortgruppen alternative Sinneinheiten aufblitzen, auch wenn sie schlussendlich vom Satzgefüge her als falsch erscheinen. Man muss sich also selbst wie ein Vagant durch Bauers Verse bewegen und wird dafür reich belohnt durch überraschende Perpektivenwechsel.

Dem herausragenden, ja einzigartigen Gedichtband "stromern" fehlt also nur eines: ein Inhaltsverzeichnis. Aber vielleicht wurde das ja bewusst weggelassen, damit man sich beim Wiederlesen nicht schnell und geschmäcklerisch auf sein Lieblingsgedicht stürzen kann, sondern gezwungen ist, das Buch immer wieder in seinen gesamten Dimensionen wahrzunehmen.