"Postcards from Europe 10/15" im Kunst Haus Wien

Die deutsche Künstlerin Eva Leitolf präsentiert im Untergeschoss des Museum Hundertwasser eine Auswahl ihrer Fotografien der letzten neun Jahren - Bilder, die um das Phänomen Migration kreisen, sich aber nicht auf den ersten Blick erklären.

Kulturjournal, 28.10.2015

Großformatige Fotografien auf denen kein Mensch zu sehen ist. Darunter eine Holzleiste, auf der zur freien Entnahme Postkarten mit Texten liegen - Pressemitteilungen, Polizeiprotokolle, Tagebucheintragungen von Eva Leitolf selbst - jede davon mit einem Quellenvermerk und einer Archivnummer versehen. "'Postcards from Europe 10/15' ist ein Auszug aus meinem Archiv, das seit 2006 entsteht - zu dem Phänomen Migration und vor allem, wie wir als europäische Gesellschaften damit umgehen", erklärt Eva Leitolf.

Die Künstlerin reiste dafür durch Europa und hat alltägliche Orte fotografiert, an denen etwa Flüchtlinge aufgegriffen, oder tote Flüchtlinge gefunden wurden. Aber auch Orte, die davon erzählen, dass sich Migrantinnen und Migranten zusammen getan haben, für ihre Rechte gekämpft und manchmal auch Recht bekommen haben. Die Gesichter hinter diesen Geschichten sind in der Fotoausstellung nicht zu sehen.

Leere, die das Bewusstsein füllt

"Wir kennen viele Fotos in den Medien, die den Flüchtlingen bestimmte Rollen zuschreiben: oft die des Opfers oder oft werden sie bedrohlich dargestellt. Das wollte ich vermeiden. Ich wollte mit diesen Bildern - die wir alle im Gedächtnis mit uns rumtragen - arbeiten, sie durch die Verbindung mit dem Text dann auch abrufen. Sodass sich die Bilder mehr im Kopf entwickeln, als auf der Fotografie selbst. Da hilft es, wenn die Bilder menschenleer sind. Ich verstehe sie Bühne, auf der sich im Bewusstsein des Betrachters, der Betrachterin die Geschichten darstellen."

Leerstellen, wie etwa ein Maisfeld in Ungarn oder ein Strand in Spanien. Wer die Postkarte zur Fotografie liest, erfährt, dass an diesem Strand in Tarifa im November 1988 zehn ertrunkene Marokkaner angespült wurden, deren Boot gesunken war. Oder dass im ungarischen Maisfeld im Jahr 2007 drei Schlepper und 28 moldawische Staatangehörige verhaftet wurden.

Wie entsteht Bedeutung?

"Ich sehe die Bilder und die Texte fast wie Werkzeuge, um sich mit dem Thema auf einer differenzierteren Art und Weise zu befassen, als in der Tagespresse. Letztlich würde ich auch gerne zum Nachdenken anregen, wie Bedeutung entsteht. Wie wird eine Nachricht gemacht, und wie werden Bilder im Verhältnis zu den Nachrichten eingesetzt", sagt die Künstlerin.

Ursprünglich hat die gebürtige Bayerin Bildjournalistik studiert, bevor sie sich dem Kunststudium zuwandte. Die Zugänge aus diesen Ausbildungen sind auch ein Grund, warum in Leitolfs Arbeit die Grenzen zwischen Presse- und künstlerischer Fotografie verschwimmen. Einerseits bedient sie sich journalistischer Methode, wie der Recherche; andererseits muss sie sich keiner Deadline stellen, in kein vorgegebenes Format passen und kann Bild und Text losgelöst von einander präsentieren.

Service

Kunst Haus Wien - "Eva Leitolf / Postcards from Europe 10/15", bis 31. Jänner
Eva Leitolf

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