NS-Raubgut im Technischen Museum

Die Diskussion über "arisiertes" Raubgut wird von teuren Kunstgegenständen beherrscht. Dabei vergisst man oft, dass die Nationalsozialisten großteils Alltagsgegenstände raubten: Radiogeräte, Fotoapparate, Möbel und Autos. Ihnen widmet das Technische Museum in Wien die Ausstellung "Inventarnummer 1938".

Mittagsjournal, 3.11.2015

Geraubte Gegenstände, die das Schicksal jener Menschen beleuchten, die sie einst besessen haben, sind Thema einer kleinen, aber informativen Schau, die Einblicke in die Provenienzforschung des Technischen Museums in Wien vermittelt.

Seit 1998 betreibt das Haus Provenienzforschung. Das heißt: Die Sammlungsbestände werden systematisch durchforstet und NS-Raubgut gegebenenfalls zurückgegeben. "Im Gegensatz zu den Kunstmuseen haben wir es oft mit Alltagsgegenständen zu tun. Bei diesen ist es sehr schwer, die ursprünglichen Besitzer und ihre Nachfahren auszuforschen", sagt Christian Klösch, Leiter der Provenienzforschung im Technischen Museum.

Klösch kuratierte die Ausstellung "Inventarnummer 1938", die ab morgen zu sehen ist. "Einerseits zeigen wir Objekte, die an das Technische Museum übergeben worden sind - von Juden, oder politisch Verfolgten, die emigrieren mussten. Andererseits handelt es sich um so genanntes 'arisiertes Gut', das oft über Dritte ins Technische Museum gekommen ist", so Klösch.

FIAT 522 C

FIAT 522 C

TMW

"Der größte Autoraub"

Eines der gezeigten Exponate ist ein Fiat 522 C. 1932 kaufte die jüdische Kaufmannsfamilie Glückselig das Auto. Wenige Tage nach dem "Anschluss" Österreichs an das Dritte Reich wird der Wagen von der SA beschlagnahmt. "Dieses Auto steht stellvertretend für Tausende Autos, die direkt nach dem 'Anschluss' beschlagnahmt worden sind. In den ersten Märztagen 1938 sind zirka 20 Prozent aller Fahrzeuge in Wien von der Gestapo und von der SA beschlagnahmt worden. Es war der größte Autoraub der österreichischen Geschichten", sagt Christian Klösch.

Über Umwege geriet der FIAT 522 C der Familie Glückselig 1951 in die Sammlung des Technischen Museums. 2008 wird der Wagen restituiert. Die Erben verkaufen den Fiat wieder an das Technische Museum. Für Silvia Glückselig, deren Großeltern der Wagen gehörte, geht es bei der Rückgabe des geraubten Wagens aber nicht nur um den materiellen Wert.

Nicht alle Gegenstände, die in der Ausstellung "Inventarnummer 1938" zu sehen sind, wurden geraubt. Einige Menschen, die 1938 gezwungen waren zu emigrieren, überließen ihre Schätze dem Museum. So der ausgewiesene Agrartechnikexperte Siegfried Gerstl. Er kontaktierte das Technische Museum im August 1938 in einem Brief: "Da ich als Jude möglicherweise gezwungen sein werde, meine Heimat, trotzdem ich 76 Jahre lang hier wohne, zu verlassen, und oben genannte Bücher usw. nicht mitnehmen kann, so erlaube ich mir die Anfrage, ob Sie geneigt sind, diese zu übernehmen, kostenlos." Gerstls Geschichte wird in der Ausstellung rekonstruiert.

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Technisches Museum Wien - Inventarnummer 1938

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