Dokumentarischer Roman von Steve Sem-Sandberg

Die Erwählten

Nach dem Ulrike-Meinhof-Roman "Theres" und dem KZ-Roman "Die Elenden von Lodz" handelt der jüngste Roman des schwedischen Autor Steve Sem-Sandberg von der Jugendfürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund", wo in der NS-Zeit Kinder und Jugendliche ermordet wurden.

"Ein dichter und verstörender Roman über die Abgründigkeit des Menschen."

Günter Kaindlstorfer

Adrian Ziegler ist der fiktive Protagonist, dessen Schicksal eng an das des realen NS-Fürsorgeopfers Friedrich Zawrel angelehnt ist. Er wird im Jänner 1941 in die Pflegeanstalt in Wien-Steinhof eingeliefert. Anhand seines Schicksals zeigt Sem-Sandberg, was Tausenden Kindern zwischen 1940 und 1945 am "Spiegelgrund" widerfahren ist: Sie wurden systematisch gedemütigt, gequält und gefoltert, mindestens 789 Kinder und Jugendliche wurden im Rahmen des NS-Euthanasieprogramms ermordet. Adrian Ziegler alias Friedrich Zawrel hatte Glück: er überlebte.

Sem-Sandberg arbeitet in seinem Roman eine altbekannte Entlastungsstrategie heraus: die Schuldumkehr. Auch wenn Euthanasieschwestern wie Anna Katschenka nach dem Krieg eine gewisse Schuldeinsicht zeigten - die Todesschwester wurde 1948 zu acht Jahren schwerem Zuchthaus verurteilt - sie fühlten sich dennoch in erster Linie: als Opfer.

Er habe einen Roman nicht über die Banalität, sondern die "Normalität des Bösen" geschrieben, erklärt Sem-Sandberg. Der schwedische Romancier schildert das unerhörte Geschehen auf dem "Spiegelgrund" in multiperspektivischer Plastizität, die einem während der Lektüre immer wieder das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Service

Steve Sem-Sandberg, "Die Erwählten", Roman, aus dem Schwedischen von Gisela Kosubek, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, 524 Seiten
Originaltitel: "De utvalda"