"Familienfest" mit Hindernissen

Der 70. Geburtstag des Starpianisten Hannes Westhoff führt seine drei Söhne samt Anhang, die aktuelle und die geschiedene Ehefrau in der großbürgerlichen Villa zusammen. Dieses "Familienfest" bringt in einer konfliktgeladenen Tragikomödie zahlreiche alte und neue Spannungen zutage.

In die Haare geraten dürfen sich dabei namhafte Schauspieler von Hannelore Elsner bis Lars Eidinger.

Kulturjournal, 29.12.2015

Es scheint ein bewährtes Rezept zu sein: inmitten der fröhlichen Feierstunde brechen hinter üppigem Essen, Blumenschmuck und lächelnden Gesichtern urplötzlich lange schlummernde Familienkonflikte hervor. Regisseur Lars Kraume allerdings hält sich nicht an dieses dramaturgische Rezept. Er überspringt die anfängliche Idylle und stürzt seine Protagonisten gleich von der ersten Minute an in ein buntes Chaos der Eitelkeiten und Befindlichkeiten.

Zündstoff ab der ersten Filmminute

Schon die Anfahrt zur Familienvilla am See birgt zahlreiche Hürden: Die eigens aus Paris eingeflogene Exfrau und Mutter der drei Söhne konsumiert schon im Flughafenrestaurant eine akkurate Weinration, um das Bevorstehende zu überstehen. Frederik, der Jüngste, hat Skrupel, seinen Lebensgefährten Vincent mitzubringen; der notorisch verschuldete Gregor braucht wieder einmal einen Masterplan, um dem Vater ein Darlehen von 50.000 Euro zu entlocken. Und Max, der Älteste, gespielt von Lars Eidinger, landet mit seinem Wagen überhaupt erst im Straßengraben und folglich im Krankenhaus, bevor er beim Jubilar ankommt.

Charmanter Flirt mit tragischem Boden

Davor überzeugt er noch die hübsche Krankenschwester Jenny, ihn zum Fest zu begleiten. Erst später wird klar, wie ernst die Lage hinter dem schelmischen Flirt tatsächlich, wie notwendig die Anwesenheit der Krankenschwester bei diesem Fest wirklich ist. Vorerst allerdings wird die Zusammenkunft dominiert von den chauvinistischen Bemerkungen und homophoben Witzen des Familienoberhaupts.

Drückende Erinnerungen & lodernde Rache

Vieles aus der nicht aufgearbeiteten Familiengeschichte klingt immer wieder subtil durch, von den blauen Flecken der geprügelten Exfrau bis zu den peinigenden Musikstunden in Kindertagen. Und je fortgeschrittener das "Familienfest", desto mehr schwindet auch die Contenance, desto größer werden auch die Rachegelüste der Kinder, bis Frederic schließlich in einem Anfall von Zorn und Enttäuschung sämtliche Partituren des Vaters in einem Lagerfeuer verbrennt - unter Beifallsbekundungen der Mutter und den entsetzten Blicken der übrigen Gäste.

Tempo, Witz und überzeugendes Schauspiel

Zwischen temporeichen Dialogen, Wortgefechten und grotesken Szenen konzentriert sich Regisseur Lars Kraume vor allem auf die Figurenzeichnungen und setzt dabei auf die schauspielerischen Leistungen seiner neun Darstellerinnen und Darsteller. Köstlich etwa Hannelore Elsner als abgeklärte dauerbeschwipste Exfrau Renate und Michaela May als demütig aufopfernde neue Frau Anne.

Tragisches Finale mit großen Emotionen

Lars Eidinger überzeugt als unangepasster Journalist und heimlicher Rebell unter den Söhnen, für den diese Tage mit der Familie zugleich die letzten Tage seines Lebens bedeuten. Das Wissen um die unheilbare Krankheit des Sohnes bringt schlussendlich auch Bewegung in das festgefahrene Familiengefüge.

Nicht nur aufgrund dieser durchaus vorhersehbaren Wendung läuft der Film vor allem im zweiten Teil immer wieder Gefahr, ins Pathetische abzurutschen. Aber die Gratwanderung gelingt und so ist "Familienfest" ein angenehm kurzweiliges, humorvolles und erfrischend vielschichtiges filmisches Kammerspiel.